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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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Riegel einer Dachluke. Der Riegel glitt zur Seite. Helles Sonnenlicht fiel in den Raum. Die Strahlen umspielten einen grinsenden Totenschädel mit tiefschwarzen Augenhöhlen. Der Schädel saß auf weiß glänzenden Halswirbeln. Eine Knochenhand schnellte ihr entgegen.
    Das Mädchen schrie gellend auf. Wie von tausend Furien gehetzt, fuhr sie herum und rannte durch die Tür. Sie wimmerte vor Angst, als sie die letzte Tür nicht gleich öffnen konnte. Die weiße Frau folgte ihr mit ausgestreckten Armen.
    Harriett sprang mit Riesensätzen die Treppe hinunter, dabei laut um Hilfe schreiend. Sie hatte ihr Zimmer noch nicht halbwegs erreicht, als die anderen Mädchen schon auf den Flur stürzten. Anne Bloom kam von unten die Treppe herauf, und Dr. Schwab kam aus der Richtung des Speiseraumes herbeigeeilt. Bei ihm war Frau von Stöckingen.
    Schlagartig beruhigte sich Harriett. Sie wußte sich in Sicherheit.
    „Was ist los?“ fragte die Schulleiterin energisch.
    „Ich – ich habe die weiße Frau gesehen. Es spukt da oben auf dem Boden.“
    Frau von Stöckingen schlug kurz und hart zu. Ihre flache Hand klatschte dem Mädchen gegen die Wange.
    „Du solltest dich etwas schämen, Harriett“, sagte sie scharf. „Für derartige Geschmacklosigkeiten habe ich kein Verständnis.“ „Aber – aber ich habe wirklich …“ Diesesmal versetzte Frau von Stöckingen ihr die Ohrfeige auf die andere Wange. Dann wandte sie sich an die Schülerinnen, die sie betroffen und verwirrt anblickten.
    Keine von ihnen wußte, was wirklich geschehen war.
    „Ich muß euch etwas sagen“, begann Frau von Stöckingen leise. „Wir haben Lydia gefunden.“
    Sie machte eine Pause, weniger weil sie die Spannung erhöhen wollte, als vielmehr, weil ihr die Tränen in die Augen stiegen und sich ihr die Kehle zuschnürte.
    Dr. Schwab kam ihr zu Hilfe.
    „Lydia ist verunglückt“, fuhr er fort. „Sie ist ins Wasser gefallen und ertrunken. Es tut mir leid, daß ich euch das sagen muß.“ Er wandte sich an Harriett. „Nun wirst du wohl verstehen, daß wir für Schülerstreiche kein Verständnis mehr haben.“
    Harriett blickte Anne Bloom an. Sie wagte es nicht, noch einmal ihr Erlebnis auf dem Boden zu erwähnen, aber sie bemerkte den Zweifel in den Augen der Englischlehrerin und erkannte, daß diese sich zumindest mit ihr beschäftigte.
    „Macht euch jetzt fertig!“ befahl Frau von Stöckingen. „Es ist zwar noch viel zu früh für den Unterricht, aber wir werden irgend etwas unternehmen.“
    Die Pädagogin wußte, daß sie die Mädchen jetzt nicht allein in ihren Zimmern lassen durfte. Sie mußte sie beschäftigen, um sie von den Gedanken an Gerlinde und Lydia ein wenig abzulenken.
    Die Schülerinnen kehrten in ihre Zimmer zurück. Frau von Stöckingen ging die Treppe hinunter. Harriett senkte den Kopf und folgte Petra, die nach ihrer Hand griff. Dr. Schwab und Fräulein Boom blieben allein auf dem Flur zurück.
    „Ich dachte, Sie wollten schlafen?“ sagte Schwab.
    „Ich hatte es mir vorgenommen, aber es klappte nicht.“
     

Petra König kehrte niedergeschlagen aus der Telefonzentrale zurück.
    „Ich habe meinen Vater noch immer nicht erreicht“, berichtete sie Harriett, die ihr inzwischen von ihrem Erlebnis auf dem Boden erzählt hatte.
    „Ich glaube, Gerlindes Mutter ist gekommen“, sagte Harriett.
    Die beiden Mädchen gingen zu einem Fenster, von dem aus sie in den Park hinuntersehen konnten. Unten parkte ein silbergrauer Mercedes.
    „Das ist die alte Ziege“, stellte Harriett respektlos fest.
    „Jetzt bekommt von Stöckingen was zu hören“, fügte Petra hinzu. „So ein arrogantes Weib wie die Schultheiß habe ich noch nie erlebt.“
    „Kennst du sie?“
    „Natürlich. Ich war doch mal bei Gerlinde zu Hause.“
    „Da kommt die Bloom.“
    Harriett griff nach der Hand Petras und zog die Freundin mit sich. Zusammen gingen sie zu der Englischlehrerin.
    „Fräulein Bloom, können wir Sie einen kurzen Moment sprechen?“
    „Natürlich. Was gibt es?“ Sie blickte zum Fenster. „Die Sonne scheint so schön. Wollen wir nicht nach draußen gehen? Wir haben noch zwanzig Minuten Zeit bis zu meiner Stunde.“
    Als sie am Zimmer der Schulleiterin vorbeikamen, hörten sie die laute, affektierte Stimme von Frau Schultheiß, die weniger über den Tod ihrer Tochter zu trauern, als sich in Vorwürfen gegen Frau von Stöckingen zu ergehen schien. Petra wußte, daß Gerlinde sich nie besonders gut mit ihrer Mutter verstanden hatte.
    „Also

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