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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Sky
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müde.
    „Vielleicht – ja“, sagte er mit, geheimnisvoll gedämpfter Stimme. „Niemand – außer Graf Hugo – wußte, wer dieser Henker war. Selbst im Dorf kannte niemand seine Identität, obwohl alle Dorfbewohner wie verrückt nach diesem Mann fahndeten. Er war ihnen unheimlich. Sie fürchteten und haßten ihn. Sie wollten wissen, wer er war, weil niemand etwas mit einem solchen Menschen zu tun haben wollte. Aber sie haben es nicht herausgefunden. Erst viel später hat man entdeckt, daß …“
    „Bitte, Dr. Lohmann, ich bin wirklich nicht in der Verfassung, mich dafür zu interessieren. Können wir nicht ein andermal darüber reden?“
    Er kam dicht mit seinem Kopf an sie heran und musterte sie durch seine dicken Brillengläser, als habe er sie noch nie zuvor gesehen.
    „Es tut mir leid“, sagte sie. „Diese historischen Dinge mögen für Sie faszinierend sein. Ich kann ihnen kein Interesse abgewinnen.“
    „Das ist aber sehr bedauerlich. Sehr bedauerlich.“
    „Tut mir leid.“
    Anne Bloom erhob sich und verließ den Speisesaal. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Der Kaffee hatte ihr gutgetan; er hatte sie nicht munter, sondern müde und schläfrig gemacht.
     

     
    Harriett Mahler wachte auf, als es bereits dämmerte. Sie ärgerte sich darüber, daß sie eingeschlafen war, denn sie hatte sich vorgenommen, sich noch einmal im Schloß umzusehen. Nun war es zu spät. Sie glitt aus dem Bett und trank einen Schluck Wasser. Es war halb vier. Im Schloß war es still. Nur aus der Richtung des Speisesaals hörte sie Geräusche; irgendwelche Personen gingen dort unruhig auf und ab und sprachen mit gedämpfter Stimme.
    Harriett öffnete die Tür; dabei mußte sie an Lydia denken; zu gern hätte sie gewußt, ob das Mädchen bereits gefunden worden war.
    Sie kehrte rasch zum Bett zurück und kleidete sich an. Kurz überlegte sie, ob sie Petra wecken sollte, entschied sich dann aber dagegen. Sie wollte ja nicht lange fortbleiben, sondern nur ein wenig an der Tür zum Speisesaal horchen.
    Als sie auf den Flur hinaustrat, waren die Stimmen im Speisesaal verstummt. Dennoch war es nicht still geworden. Deutlich hörte Harriett ein leises Wimmern, das von oben kam. Wieder dachte sie an Lydia. Sollte sie sich oben versteckt halten und gar nicht beim Fluß sein?
    Sie ging zur Treppe und horchte. Kein Zweifel, das Wimmern kam von oben. Sollte Fräulein Bloom diese Klagelaute von sich geben? Zuzutrauen wäre es ihr, meinte Harriett; sie ist ja so schreckhaft, die Arme.
    Sie lächelte und huschte die Treppe hinauf. Zwei Meter vor der Tür zu Anne Blooms Zimmer blieb sie stehen. Überrascht stellte sie fest, daß sie sich geirrt hatte. In Anne Blooms Zimmer war es still. Harriett beschloß, dennoch hineinzusehen. Vorsichtig zog sie die Tür auf.
    Das Bett der Bloom war leer.
    „Huch“, flüsterte Harriett. „Kleine Mädchen sollten um diese Zeit schon längst in ihrem eigenen Bettchen sein.“
    Sie griente vergnügt und schloß die Tür wieder. Suchend blickte sie sich um, als sie erneut jemand über sich wimmern hörte. Sie hob den Kopf und trat an die Treppe heran, die zum Boden hinaufführte. Noch unentschlossen setzte sie einen Fuß auf die erste Stufe und stieg dann langsam höher. In Abständen von wenigen Sekunden hörte sie immer wieder diese seltsamen Klagelaute; als ob ein kleines Kind irgendwo über ihr vor sich hinjammern würde.
    Als sie den Mittelabsatz der Treppe erreicht hatte, wurde es still. Harriett wußte nicht recht, was sie tun sollte.
    „Hallo?“ rief sie mit gedämpfter Stimme. „Lydia?“
    Plötzlich fiel ihr wieder ein, was in der Folterkammer geschehen war.
    Ein eisiger Wind schien über ihren Rücken zu streifen. Sie fürchtete sich. War es nicht besser, wenn sie irgend jemanden verständigte?
    „Ach, was!“ sagte sie laut und ging entschlossen weiter. „Was soll schon sein? Gespenster gibt es nicht.“
    Doch dann dachte sie an das blutige Wesen, das sie im Keller gesehen hatte. Es hatte an der Holztür gekratzt. War das aber nicht ein Beweis, daß es recht real und körperlich gewesen war? Ach, wir waren einfach doof, daß wir weggelaufen sind!
    Sie pfiff leise durch die Zähne, um sich Mut zu machen, und eilte weiter. Auf dem obersten Gang, von dem die Türen zum Boden abzweigten, war es dunkel. Sie konnte kaum etwas erkennen. Das Wimmern lockte sie zu einer Tür am Ende des Ganges. Sie wurde wieder mutiger. War dies nicht eine fabelhafte Gelegenheit, den anderen zu

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