082 - Die Zeit der Zwerge
tot."
Aber damit legte sich der Aufruhr nicht; im Gegenteil; man begann lautstark seine Weissagung zu diskutieren.
„Hoffentlich behält Bourgogne unrecht", sagte Franca.
„Wie kann ein Taschendieb wie du denn die verschlüsselten Verse eines Astrologen durchschauen?" fragte eine Stimme hinter mir.
Ich blickte mich um. Da stand Alexander Belot.
Franca stellte uns einander vor, und ich bat den Alchimisten, an. unserem Tisch Platz zu nehmen. „Franca hat recht", sagte Belot bekümmert, nachdem mein Diener den Tisch verlassen hatte. „Es wäre schrecklich, würden Bourgognes Worte Wahrheit. Aber ich nehme sie nicht ernst. Ich glaube, der Alte wollte sich nur einen effektvollen Abgang von der Bühne des Lebens schaffen. Wie kann er wirklich glauben, daß die Hugenotten von ihrem hohen Roß gestürzt werden - und zudem noch von Katharina, die ihre Tochter doch selbst mit Heinrich, einem Hugenotten, vermählen will? Nein, ich sage, daß diese Hochzeit endlich den Frieden für alle Gläubigen bringt. Und sicher setzte sich dann auch Guillaume Postel mit seinem Plan durch, in dem er für einen König, eine Religion und eine Menschheit eintritt. Nein, die Bartholomäusnacht bringt uns kein Blut, sondern mit ihr wird ein Zeitalter der Vernunft anbrechen."
„Wem könnte der Anschlag gelten, den Bourgogne für den 22. August vorausgesagt hat?" erkundigte ich mich.
„Wem den sonst als Coligny, dem Hugenottenführer, der für eine antispanische Politik eintritt", sagte Belot. „Katharina haßt ihn wie die Pest."
Ich wollte das Thema wechseln. Bei Politik konnte ich nicht mitreden.
„Sie erwähnten vorhin Guillaume Postel. Hören Sie seine Vorlesungen?"
„Gott behüte!" Alexander Belot lachte weibisch und strich sich dabei geziert über seinen schmalen Oberlippenbart. „Nein, mein lieber da Mosto, Postel hat mir überhaupt nichts zu sagen. Ich gehe gänzlich andere Wege. Ich bin Alchimist. Mein Ziel ist es, die Vollkommenheit im Stein der Weisen zu finden."
„Da müßten Sie ihn aber erst mal finden."
„Vielleicht habe ich ihn schon gefunden", sagte er herablassend.
„Das glauben viele Alchimisten", erwiderte ich. „Ich nicht ausgenommen. Ich dachte auch, die prima materia gefunden zu haben. Jetzt sind alle meine Hoffnungen unter den Trümmern eines Leuchtturmes begraben."
„Vielleicht seid Ihr den falschen Weg gegangen, da Mosto. Und laßt Euch von mir den Rat geben, daß man die Hoffnung nie fahren lassen darf, selbst wenn aus teurem Blei und Quecksilber nur billige Erde wird. Das ist doch auch eine Transmutation. Und wer weiß, lieber da Mosto, vielleicht leuchtet Euch eines Tages Sol aus dem Kolben entgegen?"
„Ich suche nicht nach Gold, sondern nach dem Geheimnis des Lebens", sagte ich.
Er richtete sich überrascht auf, lächelte aber sofort wieder sein feminines Lächeln. „Sieh an, sieh an! Wie kommt Ihr denn darauf?"
„Ich habe meine eigene Interpretation von der Lehre des Hermes Trismegistos. Wer sagt, daß der Dreimalgrößte von Gold sprach und nicht von dem Urstoff, aus dem alles Leben entstand?" Ich zitierte: „,Und wie alle Dinge aus einem gekommen sind, nämlich durch das Denken des Einen, so werden auch alle Dinge aus diesem Einen durch Adoption geboren. Geboren, mein lieber Belot! Geboren! Für mich liegt hier das Geheimnis des Lebens."
„So neu, wie Ihr glaubt, ist Eure Erkenntnis gar nicht", sagte er in seiner blasierten Art. „Ich behaupte sogar, daß ich Euch um einige Nasenlängen voraus bin."
„Auch Ihr beschäftigt Euch mit der Erschaffung von Leben?" fragte ich.
Er erhob sich.
„Ich kann Leben erschaffen." Er verneigte sich. „Ich glaube, wir werden uns noch viel zu sagen haben, mein lieber da Mosto. Aber jetzt entschuldigt mich. Die Aufregung scheint sich gelegt zu haben. Ich muß zu meinen Gästen zurück."
Ich muß gestehen, daß Alexander Belot seit diesem Gespräch großen Eindruck auf mich machte.
Als Mensch mochte er nicht viel wert sein, aber er hatte etwas von einem Genie an sich. Selbst wenn er etwas übertrieb, so erkannte ich doch sofort, daß er mit seiner Forschungsarbeit schon viel weiter war, als ich jemals kommen konnte.
Gegenwart
Die Nacht verlief ruhig. Auf Castillo Basajaun kam es zu keinen Zwischenfällen. Es verschwanden keine Dämonenbanner und es drangen auch keine Gnome mehr in die Burg ein.
Coco lag wach im Bett und erlebte den Sonnenaufgang mit. Sie zog Dorian die Decke bis zum Hals hoch. Er war vor einigen Minuten erschöpft
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