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082 - Die Zeit der Zwerge

082 - Die Zeit der Zwerge

Titel: 082 - Die Zeit der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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schön?"
    „Doch, doch." Dorian zündete sich eine Zigarette an. Im offenen Fensterviereck stand die Sichel des abnehmenden Mondes. „Das heißt", fuhr Dorian fort, „für Michele da Mostos Begriffe war sie schön. Wenn sie mir jetzt gegenüberträte, würde ich sie wahrscheinlich nicht riechen können. Und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes. Damals hielt man allgemein nicht viel von Hygiene. Du verstehst schon. Aber warum hackst du ständig auf Hortense herum? Sie ist ja nicht der Mittelpunkt meiner Erzählung."
    „Gut, gut. Lassen wir also diese holde Maid aus dem Spiel. Ich habe dich eigentlich nur unterbrochen, weil ich befürchtete, du würdest dich in Intimitäten verlieren. Es ist auch viel interessanter, zu erfahren, wie France zu diesem Haus gekommen ist."
    „Das habe ich selbst nie genau herausbekommen", sagte Dorian. „Ich kann mir aber denken, daß er es sich nicht auf legalem Weg beschafft hatte. Doch ich bin auch sicher, daß er niemanden das Dach über dem Kopf wegnahm. Er hatte da so eine Art Robin-Hood-Mentalität. Obwohl ich schon so lange mit ihm zusammen war, wußte ich nicht viel von ihm; selbst während des Aufenthalts in seiner Heimatstadt erfuhr ich so gut wie nichts über ihn. Er hatte mir einmal erzählt, daß er in Paris früher dem Handwerk eines Taschendiebes nachgegangen wäre. Jetzt hatte ich eher den Eindruck, daß er der König der Diebe gewesen war. Er hatte viele Beziehungen - aber nicht nur zur Pariser Unterwelt, sondern auch zum Adel und den Wissenschaftlern. Als ich in Paris eintraf, hatte er mir nicht nur einen Platz bei den Vorträgen des Guillaume Postel beschafft, sondern auch Kontakte zu okkulten und magischen Kreisen geknüpft, in die man als Fremder nur schwer Zugang fand; nicht daß mir auf einmal alle Türen offenstanden, aber Franca hatte für Michele da Mosto Mundpropaganda gemacht, so daß dieser Name bei meiner Ankunft bereits einen recht guten Klang hatte."
    Vergangenheit, Paris 1572, August.
    Schon zwei Tage nach meiner Ankunft in Paris wollte mich Franca Marzi in den Kreis der Alchimisten, Magier und Okkultisten einführen.
    „Wie lernst du nur diese Leute kennen?" fragte ich ihn. „Bisher hast du doch die Finger von allen geheimen Künsten gelassen?"
    Die Nacht war hereingebrochen. Wir befanden uns auf dem Weg zur Rue de la Coiffure.
    France lächelte.
    „Mir sind immer noch alle geheimen Künste suspekt. Ich verlasse mich da lieber auf mein Fingerspitzengefühl." Er machte eine spielerisch wirkende Handbewegung in meine Richtung. Es sah so aus, als wollte er mir den Staub von meinem Umhang wischen - doch auf einmal hatte er meinen Geldbeutel in der Hand. Damit hatte er mir demonstriert, was er meinte. Wir lachten beide.
    Er gab mir den Beutel zurück und sagte: „Auch die Blaublütigen und die Herren der geheimen Wissenschaften wissen manchmal meine Dienste zu schätzen. So kommen die Leute zusammen."
    „Ist es noch weit bis zum Treffpunkt der Magier?" fragte ich ungeduldig.
    Ich war, wie ich zugeben mußte, etwas aufgeregt. Franca hatte mir versichert, daß in der Schenke, die den eigenwilligen Namen „Vitriol" trug, sich die genialsten Leute von Paris trafen.
    Für den Eingeweihten war der Name „Vitriol" allein schon eine Offenbarung. Er wurde aus den Anfangsbuchstaben folgender sieben Wörter gebildet: Visita Inferiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem. Das bedeutete soviel wie: Erforsche das Untere der Erde, vervollkommne es, und du wirst den verborgenen Stein finden.
    Dieser Satz war das alchimistische Symbol für den Prozeß der Transmutation. Dem Eingeweihten war also sofort klar, daß er in der Schenke „Vitriol" Gleichgesinnte treffen würde.
    Wir wollten gerade in die Rue de la Coiffure einbiegen, als ich aus dem vergitterten Kellerfenster eines Hauses ein Stöhnen hörte. Dann folgten Kampfgeräusche - und wieder war das Stöhnen zu vernehmen.
    „Hast du das gehört, Franca?" Ich hielt meinen Diener am Ärmel fest.
    „Besser ist es, im nächtlichen Paris nichts zu sehen und nichts zu hören", erklärte er mir.
    „Aber da scheint ein Mensch in Not zu sein."
    „Und wenn die Geräusche nur von einem Liebespaar stammen? Wollt Ihr in den Ruf eines Voyeurs kommen, Herr?"
    Ich gebot ihm Schweigen und zückte meinen Degen.
    „Du bleibst vor dem Haus stehen und hältst jeden an, der daraus flüchten will", trug ich ihm auf. „Bist du bewaffnet?"
    Er öffnete wortlos seine Jacke.
    Darunter wurden die beiden über der

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