082 - Die Zeit der Zwerge
Mosto, mein Herr und Gebieter, von dem ich dir erzählt habe, Ludwig."
Der Wirt bekam große Augen. Sein Mund formte ein O, und er küßte mir die Hand.
Ich wischte sie unauffällig an meinem Umhang ab.
„Wünschen der hohe Herr zu speisen?" fragte der Wirt ehrerbietig.
Ich winkte ab. „Vorerst nicht."
Franca begann damit, mir die Namen und Funktionen der wichtigsten Gäste zu nennen. Ich war beeindruckt. Da war der Graf Francois de Marmont, der Astrologe von Katharina de Medici, Georges Dumont, der Assistent von Guillaume Postel, Maitre Peguillin, der sich rühmte, vor der Königinmutter Augen eine Transmutation durchgeführt zu haben; der Nekromant Rodohone, der den Gerüchten nach die meiste Zeit seines Lebens auf dem Friedhof der Unschuldigen Kindlein zubringen sollte; Nicolas, der älteste Sohn des Scharfrichters Theophile de Longval, der sich als Medium einen guten Namen gemacht hatte.
„Und das dort ist Alexander Belot", fuhr Franca fort und wies unauffällig auf einen stattlichen jungen Mann, der etwa in meinem Alter war, vielleicht aber auch noch nicht die Dreißig erreicht hatte. „Merkt Euch diesen Mann gut, Herr! Er gilt als einer der begabtesten Alchimisten, und die Sterndeuter haben ihm eine große Zukunft vorausgesagt."
Ich betrachtete den Mann, der einige Tische weiter saß und mit zwei älteren Männern mit brustlangen Vollbärten in ein Gespräch vertieft war. Er hatte seinen Magisterhut nicht abgelegt. Seine Hände waren unter dem schwarzen Umhang verborgen und kamen nur hervor, wenn er nach seinem Becher griff oder von seinem Brathähnchen naschte. Sein Gesicht war glattrasiert. Er hatte ebenmäßige Züge, doch waren sie mir etwas zu feminin. Nicht, daß ich Männer nach ihrer Potenz beurteilte, aber dieser Alexander Belot war bestimmt kein guter Liebhaber. Diese Vermutung sprach ich auch Franca gegenüber aus.
Er begann laut zu lachen, so daß sich alle Augen auf uns richteten.
Franca verstummte sofort, machte eine um Entschuldigung heischende Geste und sagte: „Eure Menschenkenntnis ist bewundernswert, Herr. Belot hat tatsächlich eine kleine Schwäche, vor der sich die holde Weiblichkeit entrüstet abwendet. Von einem Freund weiß ich, daß Belot seine Adepten öfter wechselt als die Halskrause - und immer handelt es sich um ausgesprochen schöne Jünglinge." „Hör auf, Franca! Über diesen Herrn habe ich genug erfahren."
„Dann darf ich vielleicht mit einem potenteren Herrn dienen?" Franca wies auf einen Mann mit Federhut, der gleich neben dem Ausschank saß und auf seinen Knien zwei Mädchen sitzen hatte. „Vor dem seht Euch vor, Herr! Das ist der Baron Joffrey de Guiche, dem Ihr die Jungfrau Hortense vor der Nase weggeschnappt habt. Er hat gute Beziehungen zur Inquisition, an denen es mir leider mangelt. Das ist auch der Grund dafür, warum er hier geduldet wird. Wer den geheimen Wissenschaften frönt, muß sich mit der Inquisition gut stellen. Darum warne ich Euch besonders vor dem Baron."
Einer der Gäste erhob sich unauffällig von seinem Platz. Es war ein uralt wirkender Mann, der mir zuvor überhaupt nicht aufgefallen war. Er schien sehr angesehen zu sein, denn kaum, daß er sich von seinem Platz erhoben hatte, verstummten alle Gäste. Es wurde tatsächlich so still, daß man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
„Das ist der Astrologe Bourgogne", flüsterte mir Franca schnell zu. „Ein Hugenotte, den Katharina einst in ein Kloster verbannte, damit er seinem Glauben abschwört. Aber er blieb standhaft. Durch die bevorstehende Heirat Heinrichs von Navarra mit Katharinas Tochter Margarete von Valois kam er in den Genuß der Begnadigung."
Ein Gast vom Nebentisch warf Franca einen bösen Blick zu, und mein Diener verstummte.
Der Alte begann zu sprechen. Er deklamierte.
„Zehn Tage vor Bartholomäus auf hohem Roß.
Zwei Tage vor Bartholomäus ein Anschlag schlägt fehl.
Die Mutter regiert, der Sohn auf dem Thron gehorcht,
Die Mutter der Tochter die Heirat befiehlt mit dem Freier,
Der verhaßt; der Sturz vom Roß zur Bluthochzeit am Tag des Bartholomäus."
Als der Alte geendet hatte, griff er sich ans Herz und fiel kraftlos in sich zusammen.
Ein Tumult entstand. Die Gäste sprangen von ihren Plätzen auf und umringten den Alten. Aufgebrachte Stimmen gellten durcheinander. Einige wetterten gegen den Astrologen, der diese unheilvolle Prophezeiung gemacht hatte. Andere wieder waren voll Sorge um seine Gesundheit.
Dann verkündete einer: „Er ist
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