0821 - Wo die Totenlichter leuchten
– er schoss!
Überlaut hallte das Echo des Schusses in seinen Ohren wider.
Wayne hatte die Augen schließen wollen, sie dann aber offen gelassen, und er schaute zu, was geschah.
Die Kugel hatte getroffen, aber Hilda lebte – wen man es denn so nennen wollte!
Er hatte auch das Splittern gehört, denn das Geschoss war durch den Körper des Wesens gefahren und gegen die gläserne Abdeckscheibe eines Bildes.
Die Splitter lagen am Boden, mehr war nicht passiert, und Hilda ging weiter.
Sie lächelte sogar, oder war das Flirren kein Lächeln? Dem Förster kam es vor wie ein böses Omen, und noch einmal raffte er sich auf. Er schleuderte die Waffe der Person entgegen – und bekam große Augen. Seine Frau krümmte sich dort zusammen, wo sie der Gegenstand getroffen hatte, dann aber war das Gewehr hindurch, polterte zu Boden, und Hilda setzte ihren Weg fort.
»Der Laternenmann will dich, Liebster. Er hat mich geschickt, um dich zu holen…«
Wayne Turney sprang auf. Er wollte weg, flüchten, aber es war zu spät. Noch einen Schritt trat sie vor und griff zu.
Ihre Hand oder was immer es auch war, erwischte seinen linken Arm. Wie Eis fühlte sich der Griff an, und als der Mann seinen Blick senkte, weiteten sich seine Augen in Panik.
Er wollte es nicht glauben, aber das Grauen ließ sich nicht wegwischen. Der Teil seines rechten Arms war genau dort verschwunden, wo er den kalten Griff spürte…
***
Es gibt solche und solche Fahrräder. Den Drahtesel, den Suko erwischt hatte, konnte er vergessen, denn der gehörte zu der zweiten Sorte. Es war eine Qual, ihn zu treten, denn eine verrostete Kette hielt nur mit Mühe, und jede Bewegung des Metalls war von klagenden Schreien begleitet. Das Metall schrie nach Öl.
Das hatte Suko nicht zur Hand. Aufgeben wollte er trotzdem nicht. Längst saß er nicht mehr auf dem harten Sattel, sondern stand in den Pedalen und kämpfte sich yardweise vor, das Gesicht vor Anstrengung verzerrt. Irgendwann hatte er sich auch an das Rad gewöhnt, er kam besser voran, aber er verfluchte dabei die Länge der Strecke, die mit dem Wagen so leicht zurückzulegen war.
Dunst umwehte ihn.
Sekündlich schienen sich neue Geister und Gespenster aus dem sich bewegenden Nebel zu schälen, die ihm entgegenglitten, sein Gesicht kühlten, aber den Schweiß nicht vertreiben konnten.
Die Häuser an der rechten Seite nahm er nur als Schatten wahr, die sich auflösten, je nach Dicke und Dichte des Dunstes. Licht brannte hinter keinem Fenster, ihm begegnete auch kein Mensch, aber Suko ging davon aus, dass er nicht der Einzige war, der seinen Weg durch die neblige Nacht fand.
Der unheimliche Friedhof hatte einige Kreaturen entlassen, die im Schutz der Nacht darauf lauerten, irgendwelche Opfer zu finden. Deshalb rechnete Suko damit, einem Geistertier oder auch einem geisterhaften Menschen zu begegnen.
Er hörte einen klagenden Schrei, schrak zusammen, entdeckte nichts und radelte weiter. Wahrscheinlich ein Kauz oder ein anderer Nachtvogel, der seinen Schrei in die neblige Finsternis schickte.
Dennoch hatte ihn dieser Ruf vorsichtig werden lassen. Ein Ort wie dieser, vor allen Dingen, wenn er in den tiefen Nebel und die Nacht eingetaucht war, barg zahlreiche Gefahren.
Zum Glück brauchte Suko nicht querfeldein zu strampeln. Er konnte auf der normalen Straße bleiben.
Er hatte den Schrei des Kauzes bereits wieder vergessen, als er erneut erschrak.
Diesmal lag es an den zahlreichen Vögeln, die mit einem irren Gekreische aus einem Baum hervorstiegen, der rechts von ihm in einem Vorgarten aufragte.
Die Vögel flatterten wie irre durch die Luft. Sie bewegten sich voller Hektik, als hätten sie vor irgendetwas Panik gekriegt.
Sekunden später sah Suko den Grund.
Dicht vor dem Vorderrad huschte er entlang. Ein heller Schatten, der den Körper einer Katze hatte.
Die Geisterkatze!
Suko hängte sich in den Rücktritt. Das alte Rad driftete mit dem Hinterrad ab, rutschte wegen der glatten Reifen noch weg – und stand.
Suko schwang sich aus dem Sattel. Der alte Drahtesel kippte um, als er nicht mehr gehalten wurde.
Suko ging einige Schritte zur Seite. Noch hatte die Katze keinen Vogel erwischen können. Der Inspektor rechnete allerdings damit, dass sie ihn ebenso angriff wie der Hund.
Suko bewegte sich zurück. Aus dem Dunst schälten sich dunkle, senkrecht stehende Schatten. Es waren die Pfosten eines Gartenzauns, der ein Grundstück umschloss.
Wo steckte die Katze?
Suko kam jede Sekunde doppelt so
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