0822 - Flüstern, schreien, töten
den Kopf. Dabei ballte sie ihre Hände zu Fäusten. »Nein!« keuchte Kate. »Nein, nicht mit mir. Ich werde mich dagegen wehren. Ich will das Messer nicht spüren, ich will nicht abgeschlachtet werden…«
Sie schwieg, ihre Gedanken aber drehten sich auch weiterhin um den Fall, und sie hatte plötzlich den Eindruck, am Ende dieser Kette der Verbrechen zu stehen. Dass alles nur darauf hinlief, sie umzubringen. Erst dann war der unheimliche Killer zufrieden.
Er war ein Phantom. Niemand wusste, wie er aussah. Trotz intensiver Ermittlungen der Polizei war es den Kollegen nicht gelungen, eine Spur zu finden.
Kate verspürte großen Durst, dem sie so schnell wie möglich abhelfen wollte.
Sie war wohl zu rasch aufgestanden. Als sie mit beiden Füßen den Boden berührte, da schwamm er unter ihr weg, und sie schimpfte über sich selbst.
Auf unsicheren Beinen bewegte sie sich auf die Minibar zu. Sie öffnete den Kühlschrank, fand ihn gut gefüllt und entschied sich für ein Bitter Lemmon.
Es war nicht kalt im Zimmer, dennoch fror sie. Wahrscheinlich deshalb, weil sie nur den Bademantel trug. Kate schnürte ihn enger. Sie trank aus der Flasche, als sie zum Fenster ging, davor stehen blieb und der Dämmerung zuschaute, die sich allmählich über den Hyde Park senkte, an dessen Rand das große Hotel stand. London im Herbst, London in Trauer. Es passte irgendwie alles zusammen, selbst ihre Gefühle glichen sich dieser Zeit an.
Aus den tiefliegenden Wolken rieselte der feine Sprühregen. Nichts war mehr klar zu sehen, die Umgebung erinnerte Kate an eine Waschküche.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie daran dachte, dass sich in London vom Wetter her kaum etwas verändert hatte. Noch immer brachte der Herbst den Nebel, noch immer war es die Zeit, die das Böse versteckte.
Aber so wie früher war es nicht mehr. Das alte Soho des Jack the Ripper gab es auch nicht mehr. Man hatte viel renoviert, nicht immer zum Nutzen und im positiven Sinne, doch etwas von dem herbstlichen Scharm der Millionenstadt war geblieben. Zumindest empfand Kate Duvall dies so, und sie fühlte sich davon nicht negativ beeinflusst, waren dieser Nebel und auch diese Stadt für sie doch ein Stück Heimat.
Die Flasche trank sie nicht ganz leer. Sie drehte sich um, stellte sie weg und schaltete das Radio ein, weil ihr die Stille nicht gefiel. Draußen sickerte die Dämmerung weiter ein. Kate dachte auch an ihre Verabredung mit dem Geisterjäger.
Bis zum vereinbarten Zeitpunkt musste sie noch eine halbe Stunde warten. Sicherlich musste John erst einchecken, dann würde er in die Halle gehen und dort in einem der Sessel auf sie warten.
Sie lächelte endlich wieder. Sinclair war ein patenter Kerl. Sie fühlte sich bei ihm geborgen, was sie sehr wunderte. Bei einem anderen Kollegen hatte sie bisher nicht das Gefühl gehabt. Die waren oft zu hart und oberflächlich. Bis auf Abe Douglas. Er hatte sich ihre Probleme sehr genau angehört und sofort die richtigen Schlüsse gezogen.
Kate zog sich an.
Sie entschied sich für die rehbraune Hose, einen gelben Pulli und eine ebenfalls rehbraune Jacke, die leicht tailliert war. Auf Schmuck verzichtete sie fast völlig, nur die schlichte Perlenkette, ein Erbstück ihrer Großmutter, legte sie um.
Auch das Make-up trug sie nicht zu dick auf. Wie jede Frau stand sie vor dem Spiegel im Bad, machte sich leicht zurecht, aber nicht jede Frau spürte dabei in sich die frostige Furcht.
Es stieg wieder hoch.
Kate konnte nicht sagen, weshalb sie dieses Gefühl überschwemmte. Es war einfach da, es ließ sich auch nicht wegdiskutieren, und sie merkte, dass die Nervosität sogar die Hände leicht zittern ließ. Sie konnte es sich nicht erklären, niemand war in ihrer Nähe, der sie bedrohte, trotzdem hatte sie dieses Gefühl.
Was schwebte da über ihr?
Kate wusste es nicht. Sie schaute sich um, das Bad war leer, aber die unsichtbare Drohung flößte ihr trotzdem eine gewisse Furcht ein. Deshalb beeilte sie sich, verließ den Raum und langte unter ihr Kopfkissen.
Da lag ihr Revolver.
Es war ein 38er Smith & Wesson. Es war ein beruhigendes Gefühl, das kalte Metall zu spüren. Eine relative Sicherheit überkam sie, auch wenn die bedrückende Furcht nicht ganz verschwand.
Sie warf einen letzten Blick durch das Zimmer. Nichts hatte sich verändert. Dennoch verließ sie es mit eiligen Schritten und fuhr mit dem Lift in die Halle hinab.
Das unbestimmte Gefühl blieb in ihr. Zwar konnte sie nicht in die Zukunft
Weitere Kostenlose Bücher