0822 - Flüstern, schreien, töten
gespielt, der von einem Menschen nicht zu unterscheiden war. Er war eine Maschine aus der Zukunft, aber äußerlich fiel das niemandem auf.
War dieser Mann, der ihr gegenübersaß, ein solcher Roboter? Sie konnte es sich kaum vorstellen, aber tief in ihr blieb das Misstrauen bestehen.
Er reagierte zwar menschlich, aß und trank auch. Nur kam es ihr bei intensiverem Nachdenken irgendwie aufgesetzt vor, als würde er nur schauspielern.
Sehr langsam aß sie ihr Sandwich auf, den Rest spülte sie mit Bier hinunter, tupfte sich den Mund ab, lächelte und nickte ihrem Begleiter zu. »Das war gut.«
»Ich wusste es.«
»Und nun?«
»Bist du satt?«
»Ja.«
»Dann könnten wir fahren.«
Edda senkte den Kopf. Sie malte mit der Zeigefingerspitze auf der Tischplatte. »Im Prinzip habe ich nichts dagegen, aber ich hätte schon gern gewusst, wie du dir das alles vorgestellt hast. Wohin sollen wir fahren? Durch bis London?«
»Das hatte ich vor.«
»Da setzt du mich dann ab?«
Sein Lächeln war mehr ein Grinsen. »Nicht unbedingt, es kommt auf dich an.«
»Wie meinst du das denn?«
»Ich habe in London eine kleine Wohnung. Aber nicht so klein, als dass dort nicht noch eine zweite Person übernachten könnte.«
Edda ließ den Vorschlag auf sich wirken. Warum juble ich nicht? Warum bin ich ihm nicht dankbar für diesen Vorschlag? Warum falle ich ihm nicht um den Hals?
Stattdessen hob sie die Schultern und gab ihm eine ganz andere Antwort.
»Okay, aber du erlaubst, dass ich darüber noch ein wenig nachdenke?«
»Gern.«
»Gut, ich gebe dir unterwegs Bescheid. Es ist einfach zu viel Neues auf mich eingestürmt.« Sie erhob sich. »Du entschuldigst mich?« fragte sie und schlug den Weg zu den Toiletten ein. Über ihre letzten Antworten hatte sie sich selbst geärgert, denn die mussten auf den Mann gewirkt haben wie die eines Spießers.
Er schaute ihr nach. Edda sah es nicht, sie spürte jedoch den Blick auf ihrem Rücken brennen.
Kaum war sie verschwunden, als Bewegung in den Mann kam. Er selbst ging zur Theke und zahlte dort. Der Wirt nahm das Geld an sich, schaute nur kurz hin und kümmerte sich dann wieder um das TV-Programm. Die anderen Gäste hockten noch immer zusammen und unterhielten sich mit leisen Stimmen. Dass sie vor leeren Bierkrügen saßen, störte sie nicht.
Als Edda von der Toilette zurückkehrte, ein wenig zurechtgemacht, da stand Falco bereits im Schatten der Tür. Er winkte ihr zu, sie kam schnell, und er sagte, bevor sie eine Frage stellen konnte: »Es ist schon alles erledigt.«
»Du hast gezahlt?«
»Sicher.«
»Danke.«
»Wofür?« Er hielt ihr die Tür auf. Seine Hand verschwand sehr schnell wieder von der Klinke, aber sie glaubte trotzdem, eine Veränderung wahrgenommen zu haben. War die Hand dunkler geworden? Oder hatte er sich Handschuhe übergestreift?
Edda trat hinaus in die Kälte. Der Regen nässte ihr Gesicht. Sie zog die Jacke hoch und legte sie über den Kopf. Ihre Füße platschten durch die Pfützen, und hinter ihr hörte sie die Schritte des Mannes. Am Wagen hatte er sie erreicht, schloss auf und setzte sich als Erster hinein. Auch sie kroch in das dunkle Innere, wo es kalt geworden war und sie diese Kälte wie ein Frosthauch umgab: Das war seltsam. Diese Kälte kam ihr vor, als wäre sie nicht normal, sondern aus einer anderen Welt.
Er startete den Wagen. Edda schaute auf seine Hände. Tatsächlich waren sie von dunklen Handschuhen bedeckt.
Es gelang ihr, zu lachen, bevor sie fragte: »Sag mal, warum hast du dir denn Handschuhe übergestreift?«
»Habe ich das?« Die Scheinwerfer stachen ihre bleiche Helligkeit in das graue Dunkel.
»Ja, ich bin doch nicht blind!«
»Das werde ich dir später erklären«, sagte er.
Edda gab keine Antwort. Plötzlich aber lag ihr das Essen wie ein Stein im Magen. Sie hatte Angst, echte Angst…
***
Ich hatte bereits eingecheckt, war wieder zurück in die Halle gegangen und wartete dort auf Kate Duvall.
Sie war offenbar eine mehr als pünktliche Frau, denn kurz vor dem vereinbarten Treffpunkt erschien sie, schaute sich um und nickte mir zu, als ich mich aus dem Sessel erhob.
Begleitet von den Klängen des Klavierspielers kam sie auf mich zu und reichte mir die Hand. »Alles klar, John?«
»Ja, ich habe schon eingecheckt.«
»Das Zimmer neben meinem?«
»Richtig.«
»Komisch, ich habe nichts gehört.«
»Ich verhalte mich auch meistens ruhig.« Noch saßen wir nicht. Ich hob die Schultern und legte die Hände zusammen. »Was
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