0825 - Feuertraum
Erinnerung behalten, wie sie gewesen war, als sie verschwand. Als sie floh, weil sie unheilbar krank war, und sie nicht wollte, dass er ihr allmähliches Sterben und ihren körperlichen Verfall miterlebte… zu sehr hatte sie ihn geliebt, um ihm das anzutun. Und gerade um dieser Liebe willen fragte sich Zamorra, ob es richtig war, dem Freund Carlottas Ende zu verschweigen.
Die Erinnerungsbilder kreisten in ihm.
Zamorra setzte sich auf. Nicole bewegte sich unruhig, flüsterte einige Worte im Halbschlaf.
»Alles in Ordnung«, versicherte der Parapsychologe und legte seine Hand auf ihre Schultern.
Kurz sah sie ihn verschlafen an. Er liebte ihre braunen Augen und ihr ebenmäßiges Gesicht. Sie seufzte behaglich, dann wurde ihr Atem ruhig und sie schlief wieder ein.
Er stand auf, schlüpfte rasch in einen Bademantel und verließ das Schlafzimmer. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es fünf Uhr morgens war. Es war mal wieder spät geworden, ehe sie sich aus der Dorfgaststätte »Zum Teufel« zurückgezogen und Château Montagne àufgesucht hatten… und noch viel später, ehe Zamorra und Nicole sich gegenseitig Schlaf gönnten. Doch seit einer Stunde hätte er schlafen können… wenn da nicht die Gedanken gewesen wären.
Ein kleiner Zettel wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn gehen. Eine Nachricht, die direkt aus seiner Vergangenheit zu ihm sprach. Aufgeschrieben von einer Frau, deren Schicksal Zamorra erschüttert hatte und die doch auf Nimmerwiedersehen aus seinem Leben verschwunden war. Sandrine - Mensch, Wolf, Schlange und wieder Mensch… Sie war dabei gewesen, als Zamorra an dem Dimensionsriss in der fremden Welt Samila gestanden war und in die Hölle der Unsterblichen geblickt hatte. Als er die entsetzliche Verlorenheit und Leere gespürt hatte. Als er die Botschaft hätte empfangen sollen, die jedoch verloren ging - verloren gegangen wäre, wenn Sandrine sie nicht gehört und schließlich niedergeschrieben hätte. [1]
Der Parapsychologe betrat das Arbeitszimmer, in dem die hochmoderne Computeranlage aufgebaut war. Er ließ sich in den Schreibtischstuhl fallen, zog eine Schublade auf, griff nach dem unscheinbaren Zettel.
Zamorra, mein Feind. Hilf mir, und hilf dir selbst. Hilf deiner Zukunft.
Ich bin in der Hölle der Unsterblichen gefangen, wie du weißt. Und es ist mehr als die Hölle. Schlimmer als alles, was du dir vorstellen kannst. Schlimmer als alles, was ich dir angetan habe.
Wir waren Feinde, so lange. Ich hätte dich getötet, doch du hast mich leben lassen, als du die Wahl hattest. Ich hätte dich getötet, und du wärst jetzt hier. Das weiß ich. Ich habe Strafe verdient.
Doch ich habe nicht dieses ewige Martyrium verdient, diese-Verlorenheit. Befreie mich, mein Feind. Oder töte mich, dass auch meine Seele nicht mehr leben muss, dass sie sterben kann, wie mein Körper am Ende gestorben ist.
Vernichte die Hölle der Unsterblichen.
HILF MIR!
Torre Gerret.
Diese Nachricht hatte er ihm zukommen lassen, sein alter Feind -Torre Gerret. Wie Zamorra war er ein Auserwählter dieser Generation gewesen, der vom Erbfolger Bryont Saris ap Llewellyn zur Quelle des Lebens geführt worden war. Doch wie es das Gesetz der Quelle bestimmte, konnte in jeder Generation nur einer vom Wasser des Lebens trinken und Unsterblichkeit erlangen. Der, der seinen Konkurrenten tötete… und damit Schuld auf sich lud. Was in letzter Konsequenz dazu führte, dass der potentiell Unsterbliche nach seinem gewaltsamen Tod von Satans Ministerpräsident in die Hölle der Unsterblichen geführt wurde, wo die Strafe für seine Missetat auf ihn wartete. Eine Ewigkeit als gefangene Seele, einge pfercht in einem Käfig, an einem der verkrüppelten Bäume hängend…
Damals hatte Zamorra getrunken, doch er hatte sich geweigert, das perfide Gesetz zu erfüllen und Torre Gerret zu töten. Er hatte für sich und Nicole Unsterblichkeit erlangt - und den Zorn der Hüterin der Quelle auf sich gelenkt, was ihm einen hohen Preis abgefordert hatte.
Zamerra hatte gedacht, dieses Kapitel seines Lebens gehörte der Vergangenheit an - obwohl er stets in einem verborgenen Winkel seines Bewusstseins gewusst hatte, dass er-Torre Gerret nicht vergessen konnte, der von Lucifuge Rofocale in die Hölle der Unsterblichen geführt worden war… was Zamorra hatte beobachten müssen.
Dieses verdrängte Kapitel seiner-Vergangenheit war wieder lebendig geworden, als Andrew Millings in sein Leben getreten war, der einst - vor Jahrhunderten -
Weitere Kostenlose Bücher