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0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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Schließlich verschwand sie im Inneren des Hauses. Sie hörten erregtes Stimmengewirr, dann kam die Tochter des Dorfoberhauptes zurück. »Mein Vater ist bereit, Sie zu sehen.«
    Zwangendaba saß vor einem alten Fernseher und sah eine Gameshow. Das Dorfoberhaupt war ein beleibter Mann Ende 40. Er trug Khakihosen und ein buntes T-Shirt, aber seine ganze Erscheinung strahlte Würde und natürliche Autorität aus. Auf weiteren Stühlen und dem Boden saßen seine Frau und drei Kinder und sahen die Besucher neugierig an.
    Zwangendaba begrüßte seine Gäste mit einem Nicken. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Wir suchen Msegu.«
    »Der Heiler ist nicht da.« Das Misstrauen in Zwangendabas Stimme war unüberhörbar.
    »Das wissen wir. Aber wir müssen ihn dringend sprechen.« Zamorra entschied sich dafür, die Karten offen auf den Tisch zu legen. »Es geht um den Weißen Zauberer.«
    Der dicke Mann sah den Franzosen verblüfft an. »Was wissen Sie darüber?«
    »Msegus Urgroßvater gehörte zu den Männern, die Ferdinand von Hardenberg einst getötet haben. Jetzt ist der Dämon zurückgekehrt, um sich an den Nachfahren seiner Mörder rächen.«
    Das Dorfoberhaupt musterte Zamorra nachdenklich. »Sie sprechen über diese Dinge nicht wie ein Weißer.«
    »Ich habe auch mehr von diesen Dingen gesehen als die meisten Weißen.«
    Zwangendaba verfiel in langes Schweigen.
    Endlich sagte er: »Msegu hat sich in die Einsamkeit zurückgezogen. Er will mit seinen Ahnen sprechen, um gestärkt zu sein, wenn er sich dem Weißen Zauberer stellen muss.«
    »Allein hat er keine Chance! Sie müssen uns vertrauen! Meine Gefährtin und ich kämpfen nicht zum ersten Mal gegen einen solchen Dämon.«
    Zwangendaba blickte Zamorra an und nickte zögerlich. »Gut, dann soll es so sein. Ich beschreibe Ihnen den Weg.«
    ***
    1905
    Der Weiße Zauberer inspizierte sein Reich. Vier stämmige schwarze Krieger trugen die prächtige Sänfte, auf der Ferdinand von Hardenberg seinen Ländereien regelmäßig Kontrollbesuche abstattete. Die zehn zu seinem Schutz abgestellten Askari waren eigentlich unnötig. Nur ein Wahnsinniger wäre auf die Idee gekommen, den Weißen Zauberer anzugreifen, dessen Macht inzwischen größer war als die der ältesten Magier des Landes. Doch die farbigen Kolonialsoldaten erfüllten durchaus ihren Zweck. Durch ihr arrogantes und brutales Auftreten ließen sie ihren Herrn nur noch unnahbarer erscheinen.
    Ferdinand von Hardenberg hatte sich auch optisch verändert. Die Uniform war über und über behängt mit Perlenketten und bunten Tüchern. Sein Gesicht hatte er mit Farben verziert, die er in geheimnisvollen nächtlichen Ritualen hergestellt hatte. Allein die Zutaten reichten aus, um seinen Untergebenen den Angstschweiß auf die Stirn treten zu lassen.
    Der Weiße Zauberer wusste, dass er in den Augen seiner Soldaten wie der Antichrist persönlich erscheinen musste, doch das war ihm herzlich egal. In dieser fremden und feindlichen Welt hatte Ferdinand von Hardenberg seine wahre Bestimmung gefunden. Hier war er kein austauschbarer Vertreter einer übermächtigen militärischen Macht, hier wurde er von den Menschen gefürchtet wie ein rasender Gott.
    Ehrerbietig warfen sich die Bewohner des kleinen Ngoni-Dorfes, dem der Weiße Zauberer gerade die Gunst seiner Anwesenheit gewährte, vor ihrem Herrn zu Boden und präsentierten ihre Geschenke: edlen Schmuck, Diamanten und Körbe voller saftiger Früchte. Einige Männer boten ihm sogar ihre eigenen Frauen oder Töchter an, in der Hoffnung, der Weiße Zauberer möge ihr Haus mit seinem Zorn verschonen und ihre Felder segnen.
    Kriecherisches Pack, dachte Hardenberg verächtlich, während die Askari die Geschenke einsammelten und die Männer und Frauen anschließend mit Stockschlägen und Fußtritten davonjagten. Es würde ihnen nichts nützen, ihn mit Kostbarkeiten zu bestechen. Er würde dieses Land auspressen, bis seine Lebensadern versiegten und nur noch trockenen Staub produzierten. Danach konnte er sich neuen Eroberungen zuwenden.
    Die deutsche Kolonialregierung hatte für seine Herrschaft die perfekte Vorlage geliefert, die er nur noch seinen Bedürfnissen anpassen musste. Sklaverei war in Deutsch-Ostafrika an der Tagesordnung. Die Einheimischen schufteten auf Plantagen und beim Wegebau, um die unbezahlbar hohe Steuerlast abzuarbeiten, die ihnen die Kolonialverwaltung auferlegte. In privaten Wirtschaftsbetrieben war Zwangsarbeit zwar offiziell verboten, aber gerade da kam sie

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