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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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gekommen. Einen Moment bitte, ich sage ihr Bescheid.«
    Wade wartete in der kleinen, unordentlichen Halle, deren Wände mit billigen Drucken von Segelschiffen bedeckt waren. Nach einer Weile kam der Mann zurück und führte den Inspektor in Mutter Oaks' Allerheiligstes. Sie war anscheinend wirklich eben erst nach Hause gekommen, denn sie trug noch Hut und Handschuhe. Er hatte erwartet, kühl und abweisend empfangen zu werden, doch ausnahmsweise kehrte Mutter Oaks ihre besten Manieren hervor und lächelte sogar liebenswürdig. Es fiel Wade sofort auf, daß das Zimmer noch nicht saubergemacht worden war, obwohl es schon auf Mittag zuging. Das lag wohl daran, daß Mutter Oaks schon frühmorgens das Haus verlassen hatte. Er wußte, daß sie das Zimmer immer abschloß, wenn sie ausging. »Setzen Sie sich, Inspektor. Entschuldigen Sie, daß es hier so aussieht, als sei heute morgen noch nicht aufgeräumt worden.« Es gibt im Gesicht eines Menschen gewisse Anzeichen, die sich nicht verbergen lassen. Mutter Oaks hatte sehr müde Augen und offensichtlich nicht viel geschlafen. »Sie sind gestern abend spät ins Bett gegangen, Mrs. Oaks?« fragte Wade freundlich, und das Lächeln wich für kurze Zeit von ihren Lippen. »Sie sind wirklich ein richtiger Detektiv, Inspektor«, sagte sie. »Aber diesmal haben Sie danebengetroffen. Ich bin früh ins Bett gegangen, aber ich hatte eine Neuralgie.« »Und eine Party«, ergänzte Wade. »Zigaretten gehören nicht zu Ihren Lastern.«
    Im Kamin lag ein kleines Häufchen Zigarettenasche. Und noch etwas war ihm aufgefallen, als er das Zimmer betrat, und hatte ihn in freudige Erregung versetzt. Ein unverkennbarer Hinweis, der ihn innerlich vor Zufriedenheit schnurren ließ wie einen Kater. »Ein paar Herren waren bei mir, und sie haben geraucht«, sagte sie. »Daß Sie das gemerkt haben!« »Wie geht es Lila?«
    »Sie kommt in ein Pensionat in Nordengland, ihr Vater wünscht es. Ein netter Mann, finden Sie nicht, Inspektor? Ein Jammer, daß er so viel auf See ist.« »Wann erwarten Sie Captain Aikness zurück?« Sie schien nicht überrascht, daß er den Namen kannte. »Frühestens in drei Monaten, vielleicht aber erst in einem Jahr. Das Haus in der Langras Road haben wir übrigens vermietet.« »Wo ist Lila?« fragte er und ignorierte ihren Versuch, ihn vom Thema abzulenken.
    »Oben. Sie hat leichte Kopfschmerzen, und ich habe ihr geraten, bis Mittag im Bett zu bleiben.« Sie musterte ihn forschend, und ihre Augen drückten es ebenso deutlich aus wie Worte:
    Hat er mit ihr gesprochen oder nicht? »Sie geht also in ein Pensionat in Nordengland, wie? Ist sie dafür nicht ein bißchen zu alt. Übrigens, ich nehme an, daß Mr. Raggit Lane mit Captain Aikness ausgelaufen ist?« Mutter Oaks nickte. »Golly ist auch mit von der Partie. Er hat schon früher als Steward gearbeitet, und da sie einen zuwenig hatten, ließ ich ihn gehen. Hier ist er ja ohnehin zu nichts nütze.«
    »Sagen Sie, Mrs. Oaks, weiß Captain Aikness, daß Lane bei Ihnen aus und ein geht?«
    Er war ein ungezielt abgegebener Schuß, aber er traf ins Schwarze. Mutter Oaks verlor buchstäblich die Fassung, machte den Mund auf, um etwas zu sagen, brachte jedoch kein Wort heraus und wand sich sekundenlang geradezu vor Verlegenheit.
    »Tja, ich weiß nicht, Inspektor«, sagte sie schließlich stockend. »Ich kümmere mich nicht um anderer Leute Angelegenheiten, und ich rede nicht darüber. Mr. Lane kommt nur sehr selten, und ich behandle ihn immer wie einen Freund.« »Das hat hoffentlich nichts mit Ursache und Wirkung zu tun, Mrs. Oaks?« Wade blickte nachdenklich in den Kamin, merkte jedoch, daß ihr immer unbehaglicher zumute wurde. »Sie haben heute bis in die frühen Morgenstunden hier gesessen, Mrs. Oaks«, fügte er hinzu. »Das ist sehr ungesund.« »Es ist schon merkwürdig, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man jemandem zuhört. Seine — er — einer der Herren, die hier waren, hat eine Unmenge Geschichten erzählt.« »Ich hoffe, Sie werden diesem schlechten Beispiel nicht folgen«, meinte Wade. »Sie wollten nämlich eben ›Seine Lordschaft‹ sagen. Kennen Sie Lord Siniford gut?« Sie antwortete nicht.
    »Er wird allmählich zum Freund der Familie, wie?« »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, entgegnete sie mürrisch.
    Wade begriff, daß aus ihr nichts mehr herauszuholen war. Er verabschiedete sich und schlenderte zur Barkasse zurück. Er hatte viel Stoff zum Nachdenken. Dabei war es nur menschlich, daß er

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