083 - Der Tod trägt eine Maske
näher.
»Wieso schleichst du dich wie ein Dieb bei mir ein?« fragte ihn Ragu ärgerlich. »Hast du auf einmal keine Manieren mehr?«
»Du hättest es wohl gern, wenn ich vor dir den ganzen Tag auf dem Bauch liegen würde.«
»Was für einen Ton nimmst du dir mir gegenüber heraus? Du scheinst zu vergessen, wen du vor dir hast.«
»Keineswegs. Du bist Prinzessin Ragu, und ich bin Cassemock, dein Berater , nicht dein Lakai.«
Ragus Auge verengte sich. Sie starrte den Markiasen wütend an. »Du bist mein Berater gewesen , Cassemock! Ich setze dich hiermit ab, und du kannst von Glück reden, daß ich dich für dein ungebührliches Benehmen nicht einsperren lasse.«
»O ja, Majestätsbeleidigung ist eine ganz verwerfliche Sache. Ein schweres Verbrechen ist das«, sagte Cassemock spöttisch.
»Bist du betrunken?« fragte die Prinzessin empört.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, dir die Augen zu öffnen, Prinzessin«, sagte Cassemock. Er lachte. »Eine Redewendung, die bei euch Darganesen nicht ganz zutreffend ist, denn ihr habt ja nur ein Auge.«
»Wir erkennen damit trotzdem jeden Verräter!« zischte Ragu. »Ich werde dich von meinen Wachen abführen und in den finstersten Kerker werfen lassen.«
»Von welchen Wachen?« frage Cassemock grinsend. »Die ›Bande der Auserwählten‹ hat einen Großteil davon niedergemacht, und ich habe sie mit meinen Leuten ersetzt. Wenn du die Wachen rufst, werden sie nicht dir, sondern mir gehorchen.«
»Das ist Hochverrat!« stellte Ragu heiser fest.
»Nenne es, wie du willst«, erwiderte Cassemock gleichgültig.
»Dafür wird dich Ugar mit dem Schwert bestrafen.«
Aber auch das ließ Cassemock kalt. »Ich bin sicher, wir werden Ugar nicht wiedersehen. Je eher du dich damit abfindest, desto besser. Der neue Mann an deiner Seite werde ich sein.«
Die Prinzessin hob energisch den Kopf. »Niemals!«
»Es gibt zwei Völker im Reich der grünen Schatten: Darganesen und Markiasen. Es ist deshalb nur recht, wenn du einen Markiasen zum Gefährten hast.«
Sie trat wütend auf ihn zu und ohrfeigte ihn. Er ließ es geschehen, unternahm nicht einmal den Versuch, sie daran zu hindern. Erst als sie ihm eine zweite Ohrfeige geben wollte, fing er sie mit einer seiner drei Hände ab.
Ganz nahe kam sein Gesicht, und ein gefährliches Feuer loderte in seinen Augen. »Wenn du das noch einmal tust, töte ich dich, Ragu!« sagte er rauh, und sie spürte, daß er nicht bluffte. Mit seinen übrigen zwei Händen packte er sie und preßte sie schnaufend an sich, und dann küßte er sie gierig auf den Mund.
Ragu fand ihn widerlich. Jetzt endlich begriff sie, daß es ein Fehler gewesen war, ihn zu ihrem Berater zu ernennen. Zu spät… Er hatte heimlich seine verderbten Ziele verfolgt und geduldig auf diesen Augenblick gewartet.
Er rechnete nicht damit, daß Ugar wiederkam und glaubte, hier die Macht und die Prinzessin übernehmen zu können. Doch keins von beidem sollte ihm gelingen.
Ragu entwand sich seinem Griff und trat mehrere Schritte zurück. Cassemock lachte. »Ich werde dir jetzt ein Geheimnis anvertrauen, das ich bisher streng gehütet habe, Prinzessin: Ich gehöre ebenfalls der ›Bande der Auserwählten‹ an, und nicht nur das. Ich bin sogar deren Anführer. Da staunst du, was? Wir haben alles sehr gewissenhaft vorbereitet. In einem Traum nahm Alcarrax mit mir Kontakt auf und teilte mir von seiner Absicht mit, diesmal einen Statthalter einzusetzen, der in dieser Welt in seinem Sinn regieren soll. Mich hat er dafür ausersehen, und ich denke, ich habe alles bisher äußerst geschickt eingefädelt. Bedenkenlos konnte ich Tony Ballard und seinen Freunden verraten, wohin meine Männer Ugar bringen würden, denn ich wußte, daß sie deinen Gefährten nicht retten konnten. Außerdem war mir bekannt, wann der Höllensturm losbrechen und die Teufelswüste erreichen würde. Du kannst Ugar vergessen, Prinzessin. Er lebt inzwischen nicht mehr. Alcarrax hat die dargebotenen Opfer bereits angenommen, und wahrscheinlich ist er in diesem Augenblick gerade dabei, Tony Ballard, Mr. Silver, Pater Severin und Scarpatt zu töten.«
Ragus Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie schluchzte auf.
»Von nun an werden wir beide Markia und Dargan regieren«, sagte Cassemock hart. »Jedenfalls wird es nach außen hin diesen Anschein haben. In Wirklichkeit wird im Reich der grünen Schatten nur noch das geschehen, was ich sage, und es wird der Wille Alcarrax' sein, den ich ausführen werde!«
Ragu
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