0831 - Wurzel des Bösen
Fehler erkennen, den er hätte vermeiden können. Manche Dinge laufen ganz einfach so ab.
Mehr gab es dazu dann wohl nicht zu sagen.
In der Küche des Nachbarhauses, das zwischen sich und dem Pfarrhaus die kleine Kirche als Blicksperre hatte, stand Silke. Brik war verblüfft - man sah ihr die Strapazen der kleinen nächtlichen Feier nicht auf Anhieb an. Doch als sie ihm zulächelte, war da ein leicht gequälter Ausdruck um ihre Lippen zu erkennen, den der Engländer sehr wohl zu deuten wusste. Silke wies mit dem Daumen aus dem Fenster.
»Pünktlich sind sie ja.« Die Kinder waren wieder in Richtung Pfarrhof gelaufen, denn für die zwei war das alles natürlich ungemein spannend. Die gesamte Dorf jugend hatte sich versammelt… und nicht nur die. Praktisch hinter jedem Fenster konnte man zumindest einen Kopf erkennen. Ihnen allen tat der Tommy, wie man den aus England stammenden Brik hier kurzerhand umgetauft hatte, natürlich Leid; zudem wurde ein so altes Gebäude wie das Pfarrhaus ja auch nicht alle Tage abgerissen. Früher hatte es die Dorfschule beherbergt, wie sich die ältesten Einwohner Nassens noch gut erinnerten.
»Vor allem sind sie laut.« Brik setzte sich unaufgefordert an den Küchentisch, auf dem bereits zwei Tassen mit duftendem Kaffee standen. Silke hockte sich ihm gegenüber hin.
»Sag einmal - was hast du denn heute Nacht dort noch getrieben? Wolltest du die Hütte im Alleingang abreißen? Wir sind ja beinahe aus dem Bett gefallen!« Sie grinste ihren Nachbarn an.
»Sagen wir, ich wollte meine ganz privaten Dämonen vorwarnen.« Simon schlürfte das kochend heiße Gebräu. Er verbrannte sich gehörig die Zunge, doch das war ihm gleichgültig. Hauptsache, der Kaffee würde seinen Kopf ein wenig klar bekommen. Und Silkes Kaffee war von der harten Sorte ; nichts für Teeeier, wie sie immer so schön sagte.
»Deine Marder?«
Brik nickte nur. Er hatte sich die Zunge verbrannt.
»Die sind flink. Da mach dir mal keine Sorgen. Wenn die den Krach hören, machen sie sich aus dem Staub. So wie du…«
Silke und ihr Mann Joachim hatten lange versucht, Brik zum Bleiben zu überreden. In ihrem Haus gab es eine Einliegerwohnung, die sie ihm nur zu gerne zur Verfügung gestellt hätten. Doch Simon hatte sich anders entschieden.
»Das Thema haben wir doch erledigt, oder?« Briks Gaumen und Zunge bekamen langsam wieder Gefühl; selbst Schuld, wenn man so gierig trank.
Silke horchte auf die verdächtige Stille, die sich draußen plötzlich ausbreitete. »Sie werden erst prüfen, ob es alte Gasleitungen gibt, ob Strom und Wasser abgestellt wurden.«
»Sollen sie nur machen.« Brik war das inzwischen alles egal.
Die Kinder kamen in das Haus zurück. An ihren enttäuschten Gesichtern konnte man erkennen, dass sie sich von dem Spektakel mehr erwartet hatten.
Mona, die jüngere der beiden, setzte sich auf Silkes Schoß. »Die haben uns verjagt. Sie sagen, das wird für Kinder jetzt zu gefährlich. Und nun spannen sie so ein Band um den Hof.« Sie meinte Flatterband, mit dem man die Baustelle absichern wollte.
Lisa mischte sich ein. »Mann, so was von langweilig. Immer dürfen wir nie zusehen…«
Das alles schien für die Kinder Nassens recht langweilig zu werden.
Zumindest sah es in diesem Moment so aus.
Sie konnten ja nicht ahnen, wie sehr sie sich da irrten…
***
Stein traf auf dicke Holzbalken!
Mit ohrenbetäubendem Knirschen maßen sie ihre Kräfte, mahlten, rissen und quetschten die so unterschiedlichen Materialien gegeneinander. Keine Seite wollte verlieren, keine gab den Kampf auf. Doch in den stählernen Klauen des Metallungetüms waren sie beide chancenlos.
Der Vorbau des Pfarrhauses - irgendwann vor vielen Jahren angebaut, als der damalige Pfarrer einen kleinen Wintergarten beansprucht hatte - zerfiel in wenigen Sekunden. Brik und Joachim, der heute für seine Verhältnisse extrem früh die Arbeit beendet hatte, wandten sich ab, denn die Staubwolke kam direkt auf die beiden Männer zu.
»Komm, Tommy!« Der Vater von Lisa und Mona drängte Brik Simon von der Absperrung weg. »Das müssen wir uns doch nun wirklich nicht antun.«
Simon nickte.
Es wurde Zeit, dass er sich nun wirklich von der ganzen Geschichte löste. Da war es wohl nicht sonderlich dienlich, wenn er sich den Abriss in allen Einzelheiten betrachtete. Im Grunde war es ja sogar Joachim gewesen, den es zur Baustelle gedrängt hatte, doch dem war bei diesem Anblick auch jeglicher Spaß an der Sache vergangen. Wie oft hatte er
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