0831 - Wurzel des Bösen
Blicken abschirmte.
Ihr provisorisches Büro hatten die Beamten im Wohnzimmer der Familie Tallmann aufgeschlagen. Der Hauptkommissar war ein noch erstaunlich junger Mann mit kurz geschorenem, aber dichtem schwarzen Haar. Nachdenklich betrachtete er Brik Simon, der noch immer unter großem Schock stand.
Wen wunderte es - die Frau, die ihn vor Jahren verlassen hatte, war wohl nie wirklich fort gewesen. Nur… wie kam sie in das Fundament des Vorbaus, der vor unzähligen Jahren errichtet worden war? Wieso war sie nicht skelettiert, wie dieses Wesen, das mit ihr gemeinsam gefunden worden war?
Hauptkommissar Jens Onur spürte die unangenehm ziehenden Schmerzen hinter seinen Schläfen. Das Gefühl kannte er schon - wenn ein Fall so gar keinen logischen Ansatz zeigte, dann bereitete ihm das schnell und dauerhaft Kopfschmerzen. Die Geschichte, die ihm der Engländer unter tatkräftiger Mithilfe der Familie Tallmann erzählt hatte, besaß das Potential zu so einem Fall.
Einer der Leute vom Erkennungsdienst war in das Zimmer gekommen, weil er bei dem nasskalten Wetter nur zu gerne etwas Heißes trinken wollte. Onurs Blick hatte den Mann zu einem eindeutigen Schulterzucken gebracht. Selbst die Experten schienen nicht einen Millimeter vorwärts gekommen zu sein.
Onur ahnte, worauf das hier hinauslaufen würde.
Diesen Fall würde er nicht sehr lange betreuen. Ganz sicher nicht. Spätestens in dem Moment, in dem die Mannschaft vom Erkennungsdienst die Segel strich, würde Onurs Chef zum Telefonhörer greifen. Und dann würde es hier schnell vor lauter großen Experten nur so wimmeln. LKA, BKA - Jens wusste nicht, wer in so einem Fall wohl zuständig sein könnte. Aber das war dann sicher nicht mehr sein Problem. Eher schon die Tatsache, dass draußen immer mehr lästige Zeitungsmenschen auftauchten. Die schossen bei solchen Fällen wie die Pilze aus dem Boden. Onur nahm sich vor, sie so weit wie möglich zu ignorieren.
Er blickte wieder zu Simon. Wie ein eiskalter Mörder sah der nun eigentlich nicht aus, doch von solchen Gefühlen ließ sich Onur nicht leiten.
»Was Sie mir hier alle erzählen, das klingt in meinen Ohren nicht sonderlich logisch. Aber wir haben nun einmal dort draußen die Leiche ihrer Frau - wenn es sich denn tatsächlich um ihre Frau handelt. Das werden die Ermittlungen schon bald ergeben.«
Jens vermied es, den Rest des Fundes zu erwähnen. Das Tuscheln der Dorfbewohner war ja kaum zu überhören gewesen: Ein Engel… unter dem Pfarrhaus.
Ein Engel - ein Melek, so lautete die Bezeichnung im Türkischen; Jens Vater stammte aus der Türkei, seine Mutter mitten aus dem Sauerland. Jens sprach wahrhaftig kein fließendes Türkisch, doch als Kind hatte er begeistert den Geschichten seines Vaters gelauscht, wenn der ihm von Engeln und Teufeln erzählt hatte. Aber das war natürlich Unfug. So etwas gehörte in das Reich der Sagen und Märchen. Religion bedeutete dem Polizeibeamten schon lange nichts mehr. Und Engel? Die hängte er am Heiligabend in den Tannenbaum, damit sich sein fünfjähriger Sohn daran erfreuen konnte.
Obwohl der zurzeit eher auf Vampire stand - Comics, Trickfilme, alles, wenn nur ein Vampir dabei war. Auch so ein Blödsinn…
»Was machen wir denn nun mit ihm, Chef?« Onurs Mitarbeiter war nur unwesentlich jünger als sein Vorgesetzter. Und wenn Jens den Chef auch nicht unbedingt herauskehrte, so akzeptierte man ihn im Team des KK11 durchaus als solchen.
Onur sah den pausbackigen Daniel Wörter an, der sich neben ihn gesetzt hatte. Die beiden machten sich nicht die Mühe, extra leise zu reden. Simon durfte durchaus hören, was sie zu besprechen hatten. »Wir könnten ihn mit zum Präsidium nehmen. Aber was sollte das bringen? Wir warten besser die vorläufigen Ergebnisse der Erkennungs-Heinis ab. Die werden uns morgen in aller Frühe sicherlich mehr sagen können.« Onur wandte sich direkt an Brik Simon. »Hören Sie zu, Simon. Solange mir niemand belegen kann, dass die Mumie da draußen Tina Simon ist, lasse ich sie auf freiem Fuß; allerdings unter Aufsicht. Sollte sich dieser Verdacht allerdings bestätigen, dann garantiere ich Ihnen, dass unser Oberboss blitzschnell mit einem Haftbefehl winken wird. Also wäre es vielleicht nicht unklug, wenn sie schon jetzt einen Anwalt kontaktieren.«
Onur wusste, dass er seine Befugnisse hier äußerst weit ausdehnte, doch er hasste es, einen vielleicht völlig unschuldigen Menschen einfach so in eine Zelle zu sperren.
Wörter hatte die
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