0831 - Wurzel des Bösen
kurzgeschlossen. Irgendwann war er zu einem nüchternen Ergebnis gekommen: Seine Zeit in Deutschland war vorüber.
So einfach war das.
Vor gut fünf Jahren schon hatte er zurück nach London gehen wollen. Der Grund, warum es ihn hierher verschlagen hatte, war Tina gewesen. Sonst nichts. Und Tina war nicht mehr da.
Damals war er von der Präsentation eines neuen Buchs aus London nach Deutschland zurückgekommen, und hatte auf dem Küchentisch einen Zettel gefunden. Es war nur eine kurze Notiz gewesen:
» Vergib mir - ich muss gehen. Ich will es nicht, aber ich muss! Ich komme zurück. Tina.«
Das war es! Keine weitere Zeile der Erklärung!
Brik hatte wirklich alles versucht, um Tina zu finden, und in dieser Zeit hatte das ganze Dorf hinter ihm gestanden. Wirklich jeder hatte ihm geholfen, wo er nur konnte. Aber sie hatten nicht die geringste Spur, nicht den Hauch einer Erklärung gefunden. Auch für die naheliegenste Idee, dass Tina einen anderen Mann für sich gefunden hatte, gab es keinen Hinweis. Es schien, als hätte der Erdboden Brik Simons Frau verschluckt.
Die Polizei hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt. Den Beamten konnte Simon wirklich keinen Vorwurf machen. Doch was sollten die im Grunde schon ausrichten? Wer wirklich verschwinden wollte, den fand man nicht so leicht. Und der Wald des Sauerlandes war dicht, weitläufig und schweigsam. Wenn da ein Verbrechen geschehen war, dann konnte Tina hier irgendwo unter ein paar Metern Waldboden liegen und vermodern. Niemand würde sie je finden können.
Es war nur der eine kurze Satz, der Brik schlussendlich hier gehalten hatte:
»Ich komme zurück.«
Der Engländer wusste, dass selbst seine besten Freunde hier irgendwann zu tuscheln begonnen hatten, leise, wenn sie glaubten, er könne sie nicht hören. Sie wird nicht zurückkommen. Niemals… armer Brik… Und mit großer Wahrscheinlichkeit hatten sie natürlich Recht.
Und wenn es doch anders kommen sollte?
Wenn irgendwann, an irgendeinem regnerischen Morgen, seine Tina an die Tür klopfte?
Und er, Brik, war nicht mehr hier?
Ganz gleich, wo auf dieser Welt er sich befinden würde - dieser Gedanke, dieser Hauch einer Möglichkeit, würde seine Gedanken stets beherrschen. Erst als ihm bewusst wurde, dass ihr gemeinsames Haus nun bald nicht mehr existieren sollte, begann sich sein Denken zu ändern. Langsam nur, aber der Prozess war in Gang gekommen. Und irgendwann hatte sich Brik entschieden.
Sein Weg führte nun zurück in seine Heimat, auf die Insel… nach London.
Der Lärm der nahenden Abbruchmaschinen vurde immer heftiger. Gift für Briks geschundenen Kopf, in dem sich der dicke Kater der vergangenen Nacht austobte; und er schonte Simon nicht, fuhr seine Krallen aus…
Mistvieh!
Nur langsam bemerkte der Engländer, dass sich in diesen Krach noch ein zweites, ziemlich dumpfes Geräusch gemischt hatte. Irgendjemand hämmerte gegen die Haustür. Klingeln wäre ja auch sinnlos gewesen - so ganz ohne Strom…
Brik erhob sich mühsam von dem alten Holzstuhl, den die Baggerklaue mitsamt dem Tisch ruhig fressen sollte. Es war schon schwierig genug gewesen, die wirklich wichtigen Möbel und andere Dinge zwischenzulagern. Erstaunlich, was sich in so relativ wenigen Jahren alles ansammelte.
Als der Engländer die Tür öffnete, musste er bei dem Anblick, der sich ihm da bot, nun doch grinsen. Dort standen zwei kleine Engelchen, die ihn mit betrübten Blicken ansahen, als müssten sie ihn zu seiner eigenen Beerdigung abholen - Lisa und Mona, die Töchter von Briks Nachbarn. Lisa war sieben, ihre Schwester Mona fünf Jahre alt. Bei ihren Eltern hatte Brik den gestrigen Abend sowie wohl auch die halbe Nacht verbracht. Abschiedsschluck hatten Joachim und Silke-Tallmann es genannt. Allerdings war es nicht bei einem Schluck geblieben.
Die Mädchen fassten Brik an den Händen, zogen ihn mit sanfter Gewalt aus dem Haus. »Mama sagt, du sollst zu uns kommen. Weil das alles ja so schrecklich ist…«
Lisa versuchte mit ihrem Sümmchen den Radau zu übertönen - die Bagger zockelten gerade in diesem Moment auf den Pfarrhof. Zwei waren es, die in ihrem Schlepptau einen LKW mit aufgesatteltem Container mit sich führten. Die Abbruchfirma schien es eilig zu haben. Doch das war Brik nur recht. Je schneller alles vorüber war, umso schneller würde er sich mit den Tatsachen abfinden.
Sieben Jahre waren wohl das äußerste Limit für seinen Lebensplan Deutschland. War er also kläglich gescheitert? Brik konnte keinen
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