0831 - Wurzel des Bösen
ausgelagert. Ein fach alles hatte er bei Nachbarn und Freunden unterbringen müssen. Ausnahmen waren die uralten Betten in den Gästezimmern, die er einfach stehen lassen wollte. Sollten sie doch vom Dachstuhl oder den einbrechenden Mauern begraben werden. Ihm war das gleichgültig.
Nicht mehr lange - allerhöchstens noch zwei, maximal drei Wochen -, dann hatte Brik Simon hier alles erledigt, alles geregelt. Ein paar Besuche bei Freunden standen noch an, Erbschaftsgeschichten waren noch zu regeln, vielleicht würde er für das gesamte Dorf mit dem schönen Namen Nassen eine Abschiedsparty veranstalten - die Dorfhalle bot sich da als Austragungsort regelrecht an.
Sang- und klanglos konnte er hier nicht verschwinden. Erstens ging so etwas überhaupt nicht in einem kleinen Dorf, zweitens erinnerte sich der Engländer nur zu gut daran, wie schnell der Argwohn und das natürliche Misstrauen der hiesigen Bewohner verflogen waren, als in das ehemalige Pfarrhaus eine Eingeborene mit ihrem Mann von der weit entfernten Insel eingezogen war.
Brik hatte den Leuten hier diese Vorsicht auch überhaupt nicht übel genommen. Sie war natürlichen Ursprungs; dass so genannte Fremde nur auf dem Land argwöhnisch betrachtet wurden, war ein dummes Gerücht. In den großen Städten lief das doch keinen Deut anders ab.
Fremde brachten stets eine Form der Veränderung mit sich, einen Wandel, wie klein der auch sein mochte. Und Veränderung bedeutete für das menschliche Denken zunächst einmal Gefahr Niemand wollte seine lieb gewonnenen Bequemlichkeiten in irgendeiner Weise verändert sehen. Also hielt man sich bei allem Neuen zunächst einmal bedeckt, beobachtete erst einmal, ließ anderen den Vortritt.
So sah der Normalfall aus - es sei denn, natürliche Zurückhaltung schlug um in dummen Hass. In dem Fall jedoch brannten die Wohnheime der Ankömmlinge.
Würde sich so etwas je wirklich verhindern lassen? Brik war glücklich, dass die Menschen hier ihrer Neugier freien Lauf gelassen hatten. Nur wenige Tage nach ihrem Einzug hatte man Tina und ihn schon zum traditionellen Waffelbacken eingeladen. Ihre direkten Nachbarn waren da die Vorreiter gewesen - und genau bei denen war er am gestrigen Abend versackt.
Ein Kaffee wäre jetzt nicht schlecht gewesen, doch es gab hier weder eine Kaffeemaschine, noch den ja wohl dringend notwendigen Strom, um sich das schwarze Gebräu zuzubereiten; pünktlich wie vereinbart hatte man die Stromversorgung gestern am frühen Abend eingestellt.
Und mit dem Wasser würde das ähnlich ablaufen.
Simon lehnte Schmerztabletten im Grunde ja ab, doch eine Aspirin - vielleicht auch zwei - würden ihm sicherlich gut bekommen. Sollte er seine Nachbarn schon wieder belästigen? Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als draußen plötzlich der ganze Kirchplatz zu vibrieren schien.
Die Bagger kommen!
Die Bagger, die sein Haus dem Erdboden gleichmachen sollten…
***
Vor etwa sechs Monaten hatte es begonnen.
Erste Risse waren an der Außenwand des Hauses sichtbar geworden, Brik Simon hatte sich zunächst keine großartigen Gedanken darüber gemacht. Die dicken Mauern des alten Gebäudes sollte so leicht nichts zerstören können. So hatte er zumindest gedacht. Doch die Risse hatten sich verbreitert, gingen schließlich vom Boden bis hinauf zum Dachstuhl. Brik hatte auf Anraten seiner hiesigen Freunde einen Gutachter bestellt, einige Wochen später dann einen zweiten, die jedoch zu dem gleichen Ergebnis kamen.
Der Untergrund des Pfarrhauses war weich. Viel hatte Simon von den Fachausdrücken der Experten nicht verstanden; für ihn war das Chinesisch gemixt mit Altgriechisch. Im Grunde konnte man die Quintessenz der vielen Seiten der Gutachten auf einen knappen Nenner bringen: Wollte er das Haus halten, dann waren sehr umfangreiche Sanierungsmaßnahmen nicht zu umgehen. Und die kosteten Euros… sehr viele Euros!
Briks Bücher verkauften sich gut. Speziell in England und Deutschland fanden sie ihre Leser. Simon konnte von seinen Honoraren leben, wenn er sich das allermeiste von dem verkniff, was er sich gerne zugelegt hätte. Er war schuldenfrei - das war es aber auch schon.
Niemals würde er das Geld für diese Sanierung aufbringen. Auch nicht, wenn er die Hilfeangebote seiner Freunde und seines Verlegers angenommen hätte. Sie alle meinten es ja nur gut mit Brik, doch der Engländer wollte gerade bei diesen Menschen keine Schulden haben.
Lange hatte er hin und her gerechnet, sich mit Banken
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