0836 - Das Puppenmonster
Gesicht der Puppe.
Sam und sie stecken zusammen! Er und die Puppe haben das Komplott geschmiedet!
In Leonas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie packte es einfach nicht, sie konnte nicht daran glauben, der nette Sam, der zuerst so hilfsbereit gewesen war, dem sie Vertrauen entgegengebracht hatte. Sie waren sehr oft intim miteinander gewesen, er war rührend um sie besorgt, dieser Familienvater, dessen Seele nichts anderes war als ein schwarzes Loch. Sam wußte Bescheid, er kannte die Puppe, und er hatte sie möglicherweise manipuliert.
Sie schaute ihn nicht an, doch sie spürte den Druck seiner Hand an ihrem Rücken. »Es wird keinen Sinn haben, wenn du dich hier versteckst, meine Liebe. Du mußt den Tatsachen ins Auge schauen.«
Leona ließ die Hände sinken. »Welchen Tatsachen denn?«
»Daß gewisse Dinge anders laufen, als du dir vorgestellt hast. Damit mußt du dich abfinden.«
»Und weiter?«
»Dreh dich um!«
»Ich kann nicht, Sam!«
»Doch!«
Der Druck auf ihrem Rücken verstärkte sich. Leona konnte nicht anders, sie ließ sich wieder zurückfallen, dabei schüttelte sie den Kopf und schaute auch Ivy an. »Was hast du mit ihr gemacht?« flüsterte sie, um danach Luft für die Emotionen zu holen. »Was ist hier überhaupt passiert?« brüllte sie los.
»Nicht viel!«
»Doch, verflucht!«
»Weißt du, Leona, die Welt ist nicht so einfach. Sie ist ein gewaltiges Rätsel. Die nicht sichtbaren Phänomene sind vielfältiger als die sichtbaren.«
»Es ist getötet worden. Die Puppe hat einen Menschen umgebracht, verstehst du das?«
»Natürlich.«
Leona ballte die Hände, als könnte sie ihre innere Erregung so im Zaume halten. »Und du sagst nichts dazu? Du nimmst es einfach so hin, als ginge dich das nichts an?«
»Der Mann war der Anfang!«
Sehr gut hatte Leona diese Antwort gehört. Ihr Blick blieb an der Spiegelfläche haften. Obwohl sich das Gesicht des Ingenieurs nicht verändert hatte, kam es ihr vor wie eine teuflische Fratze. Leona hatte längst einsehen müssen, welchem Irrtum sie erlegen war. Sam Gorman war nicht der hilfsbereite, verständnisvolle Mensch, er war ein verkleideter Teufel, einer, der es geschafft hatte, aus der Puppe eine Mordbestie zu machen.
»Warum war er der Anfang?« Es fiel der Frau schwer, überhaupt sprechen zu können.
»Weil ich es will.«
»Und wer bist du?«
»Jemand, der sich auskennt. Jemand, der seinen Weg gefunden hat, der lange gesucht hat.«
»Wonach?«
»Nach den wahren Dingen.«
»Das ist dann der Mord, nicht wahr? Soll es so enden?«
Der Ingenieur verzog das Gesicht.
»Was heißt hier Mord? Hier geht es um größere Dinge.«
»Um welche denn?«
»Um eine Überwindung der Grenzen. Um das Einreißen von Mauern. Nichts wird mehr so bleiben, wie es einmal war. Deine Puppe ist das beste Beispiel.«
Leona starrte sie an, als sei sie eine Fremde. »Sie… kann reden«, sagte die Frau.
»Sicher.«
»Sie spricht mit meiner Stimme.«
»Auch das stimmt.«
Leona nickte. Sie kam sich allein vor. Sie hatte keine Lust, mit anderen zu sprechen. Sie fühlte sich auf einmal wie ein trotziges Kind und lachte kieksend. »Wie kann sie mit meiner Stimme sprechen? Wie kann sie leben, wie kann sie sich bewegen? Wie kann sie töten? Wie ist das alles nur möglich?«
Die Frau starrte ihr eigenes Gesicht im Spiegel an, als könnte es ihr eine Antwort geben. Wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, dann sah sie fremd aus.
»Ich werde dir die Antwort geben, Leona.«
»Ja, ja, ich warte.«
»Sie ist ein Stück von dir!«
Die Frau mußte lachen. »Von mir?«
»Genau.«
»Das kann nicht sein.«
»Nicht wie du denkst, vielleicht. Sie hat dir nicht den Körper genommen, sie nahm ein Stück deiner Seele, und das ist der große Unterschied, wenn du verstehst.«
»Nein, noch immer nicht.«
Der Mann verdrehte die Augen. »Nimm es einfach hin, Leona.«
»Ich will es nicht!« flüsterte Leona. »Ich will es nicht, verdammt noch mal!«
»Du gehörst aber dazu.«
»Nicht mehr, nein, nicht mehr. Ich werde nicht auftreten. Keiner kann von mir verlangen, daß ich unter diesen Umständen live auf Sendung gehe. Sam, ich blase den Auftritt ab, auch wenn damit meine Karriere beendet ist.«
»Du machst einen Fehler.«
»Das glaube ich nicht. Für mich ist es einfach besser, wenn ich einen bestimmten Weg gehe.«
»Du willst doch leben.«
»Na und? Das kann ich auch ohne sie.«
Im Spiegel sah sie Sams Kopfschütteln und auch das dünne Lächeln. Es blieb, als er
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