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0838 - Wo die Angst zu Hause ist

0838 - Wo die Angst zu Hause ist

Titel: 0838 - Wo die Angst zu Hause ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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durchpflügten die Fluten. Am Ostufer ragten polnische Plattenbauten in den Himmel. Ein trauriger Anblick.
    Jane tippte mich mit der Fußspitze an. »Hast du Hunger, John?«
    »Ja, Hunger auf Informationen.«
    Sie lachte. »Du willst, daß ich gehe.«
    »Okay.« Sie stand auf und strich ihre grauen Jeans glatt. Als Oberteil trug sie einen rostroten Pullover mit übergroßem Rollkragen. Ihre graue Jacke war glockenförmig geschnitten. »Bis bald«, sagte sie und lächelte mir von der Tür her zu.
    »Sei vorsichtig.«
    »Mach' ich.«
    Ich schaute wieder aus dem Fenster. Noch fuhren wir langsam. Straßen, Häuser, Autos, Menschen, hier und da ein Markt, wo alles Mögliche verkauft und verschachert wurde, das typische Bild einer Grenzstadt, in der sich die Völker trafen.
    Es war kein heller Tag gewesen, entsprechend schnell würde sich auch die Dämmerung ausbreiten.
    Die meisten Fahrgäste hatten ihre Plätze gefunden, und ich ließ mich von der entstandenen Ruhe und der Monotonie einlullen.
    Bisher hatte ich zu stark unter Strom gestanden, nun merkte ich, wie die Entspannung kam. Laut Fahrplan benötigten wir nur eine knappe halbe Stunde bis Rzepin.
    Zuvor kehrte Jane zurück.
    Ich war wieder hellwach, als ich das Geräusch der sich öffnenden Abteiltür hörte.
    »Und?«
    Jane Collins zog die Tür erst zu, bevor sie eine Antwort gab. »Es trifft alles voll zu.«
    »Wie meinst du das?«
    »Zwei Wagen vor uns hocken drei Männer in einem Abteil zusammen. Zwei haben wir schon auf dem Bahnsteig gesehen.« Sie glitt wieder auf ihren Platz. »Der dritte muß demnach Henry O. Sellnick sein.«
    »Sehr gut.«
    Jane zog die Schultern hoch. »Ich habe ihn mir kurz angesehen. Er hat nichts bemerkt, denke ich. Wenn ich ihn einschätzen soll, dann ist er ein Typ, der mir persönlich nicht gefällt. Der ist mir schon vom Aussehen her zuwider.« Sie verengte die Augen. »Ich weiß auch nicht, wie ich ihn beschreiben soll, aber…«
    »Das brauchst du auch nicht.«
    »Irrtum, John, ich will und ich muß es. Ich… ich muß mich mit ihm beschäftigen, denn schon beim ersten Hinsehen habe ich irgendwie erkannt, daß Sellnick nicht der ist, für den er sich ausgibt.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie hob die Schultern. »Ich kann es dir leider nicht genau erklären, es ist einfach so. Ein Gefühl, denke ich, nur ein sehr intensives, was mich wiederum wundert.« Sie schaute mich an. »Ist dir das nicht auch so ergangen?«
    »Keine Ahnung. Wenn ja, dann nicht so stark wie bei dir. Ich mag ihn nicht, aber das sollte uns eigentlich nicht beeinflussen.«
    »Da hast du recht. Ich denke nur darüber nach, womit mein Gefühl zusammenhängt.«
    »Vielleicht mit dem, was du einmal gewesen bist?« Ich hatte indirekt auf ihre Zeit als Hexe angesprochen, und ein gewisser Rest war noch in Jane Collins vorhanden.
    Sie überlegte einen Moment, bevor sie nickte. »Ja, das kann es gewesen sein, John«
    »Genauer.«
    »Schlecht zu sagen. Eine Warnung möglicherweise, aber nur eine Warnung, weil ich eben diesen Eindruck gehabt habe. Der war wie eine Flamme, die plötzlich in mir hochschoß.«
    »Was folgerst du daraus?«
    »Tja«, murmelte Jane, »was folgere ich daraus?« Sie lächelte scharf. »Ich will es dir sagen. Ich habe den Eindruck, daß dieser Henry O. Sellnick nicht das ist, was er zu sein vorgibt.«
    »Hm.«
    »Verstehst du nicht?«
    »Im Moment nicht. Du müßtest dich schon klarer ausdrücken, Jane.«
    Sie atmete tief ein. »Das ist natürlich nicht einfach, John. Ich kann es auch schlecht erklären, denn er kommt mir vor, als trüge er eine Maske. Das ist jemand, der sich versteckt hat. Da hat der Wolf seinen Schafspelz übergestreift.«
    »Okay. Was verbirgt sich darunter?«
    »Ein… ein…« Sie zögerte mit der Antwort. »Ein Dämon möglicherweise?«
    »Nicht schlecht.«
    »Dann stimmst du mir zu?«
    »Sagen wir so: Ich lehne es nicht ab. Ich werde es behalten und mich auch darauf einstellen.«
    »Das sollten wir beide, denke ich.«
    Jane und ich hatten kaum bemerkt, daß der Zug an Geschwindigkeit verloren hatte. Als es uns auffiel, fuhren wir bereits in den Bahnhof von Rzepin ein.
    Er war längst nicht so groß wie der in Frankfurt. Nur wenige Gleise, eine graue Umgebung, in der selbst die bunten Plakate für eine Hamburger-Kette deplaziert wirkten.
    Menschen standen oder saßen zusammen. Frauen mit Kopftüchern und alten Einkaufstaschen an den Händen. Männer, die ins Leere schauten. Auf einem fahrbaren Grill bot ein Verkäufer

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