084 - Im Club der Satanstöchter
begannen unkontrollierte Wutschreie auszustoßen und die anderen dazu aufzufordern, Halliday und Carson bei lebendigem Leibe zu zerreißen.
»Halt!« donnerte die Große Bestie. Sie stieg von ihrem Altar herab und baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor Halliday auf. »Dir werden die dummen Bemerkungen noch vergehen, wenn du erst die himmlischen Freuden unseres Fegefeuers ausgekostet hast!«
Die Hexen brachen in ein girrendes Gelächter aus. Sie wußten nur zu gut, was der Meister damit meinte. Das Fegefeuer hatte noch keiner überlebt, der ihm ausgesetzt worden war.
Halliday war in diesem Moment völlig bei Sinnen, obwohl er die letzten drei Nächte kaum ein Auge hatte schließen können. Als erstes fiel ihm die Stimme des vermummten Burschen auf, der vor ihm stand. Wo hatte er sie schon einmal gehört? Als er sich umdrehte und die Menge der angemalten, hysterischen Frauen musterte, fiel ihm auf, daß sich auch einige Prominente unter ihnen befanden. Er erkannte Hilda McDermott, die Frau eines bekannten New Yorker Bankiers, Gilda Trehearne, die Tochter eines bekannten Politikers, der seine Beschränktheit damit dokumentiert hatte, daß er öffentlich für die Wiedereinführung der Extra-Abteile für die farbige Bevölkerung eingetreten war; er sah Vera La Verne, die Kommentatorin der Radiostation WCBS für die Innenpolitik, die sich durch besonders reaktionäres Geschwätz profiliert hatte – und seine Frau Ruth, die wie ein scheues Lamm in der Versammlung dieser Teufelsanbeterinnen stand. Auf ihrem Rücken waren frische Peitschenstriemen zu sehen.
Möglicherweise gehörte dieser vermummte Bursche, der hier die erste Geige zu spielen schien, ebenfalls zur Prominenz. Halliday lachte plötzlich, daran denkend, daß die bekannte Stimme vielleicht gar seinem Personalchef gehörte – aber der Mann war wohl etwas zu gebrechlich für waghalsige Tänze auf einem marmornen Altar.
»Kettet sie an!« schrie der Vermummte. Augenblicklich wurden Halliday und Carson von Dutzenden von Frauenhänden ergriffen und zu zwei hölzernen, aus dem Boden ragenden Pfählen geschleift, die man eigens für sie vorbereitet zu haben schien.
Die Hände der Frauen schienen zu Krallen zu mutieren. Innerhalb weniger Sekunden konnte Halliday kein Glied mehr rühren.
Und dann begannen die Hexen mit, den wüstesten Ausschweifungen, denen Halliday jemals in seinem Leben beigewohnt hatte. Sie entblößten sich völlig vor der Großen Bestie, schrien, kreischten, krallten sich in seine Gewänder, tanzten, zuckten und berührten sich gegenseitig, was unmenschliche Schreie hervorbrachte, die Halliday und seinen Mitgefangenen fast zur Raserei brachten.
Er fühlte, wie der Schweiß in Bächen von seiner Stirn rann und in seine Augen lief. Die seltsamen Düfte, die von den an den Wänden des Gewölbes hängenden Fackeln ausströmten, begannen allmählich auch sie zu berauschen und sie an einer teuflischen, völlig fremden Welt teilhaben zu lassen. Die Große Bestie riß plötzlich die üppige Blondine mit den hohen Schaftstiefeln, die offensichtlich Lynn, Carsons Frau, war – an sich und verschwand mit ihr hinter dem Altar, wo sie einige Minuten blieben, ehe sie wieder auftauchten. Carson, der neben Halliday festgebunden war, schrie mit all seiner Lungenkraft seine Wut und Empörung aus sich heraus, aber er erreichte nichts damit. Eine der Hexen – Halliday erkannte sie als Gilda Trehearne – baute sich aufreizend vor dem brüllenden Mann auf und krallte ihre Nägel in sein Gesicht. Als die Schreie der Wut in das heisere Brüllen echten körperlichen Schmerzes übergingen, biß er sich die Lippen blutig.
»Ruth!« schrie er in das Chaos hinein, aber der Laut, den er ausgestoßen hätte, drang nicht einmal bis an seine eigenen Ohren.
Seine Frau tanzte, mit ekstatisch verzerrtem Gesicht an der schmutzigen Wand des Kellergewölbes entlang und hörte ihn nicht.
Die Große Bestie hatte plötzlich eine Peitsche in der Hand. Ein lauter Knall ließ die Tanzenden erstarren und sich zu Boden werfen. Sie keuchten und stöhnten, einige schienen in absolute Raserei gefallen zu sein, denn sie gaben Laute von sich, die eindeutig ihre Blutgier widerspiegelten.
Die Große Bestie wies mit dem harten Peitschenstiel auf den angebundenen Carson und sagte mit vor Erregung heiserer Stimme: »Den da! Bindet ihn los!«
Halliday wollte aufschreien, als er bemerkte, was sie mit Carson vorhatten, aber aus seiner ausgedörrten Kehle kam nur ein Wehlaut.
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