084 - Im Club der Satanstöchter
Zeitpunkt wisse sie nichts mehr.
»Nein – da fällt mir noch etwas ein«, fügte sie zitternd hinzu. »Als wir an der Ruine ankamen, erwartete uns dort eine seltsame Gestalt: ein Mann, dessen Körper von oben bis unten vermummt war. Er trug eine spitze Kapuze, aus der nur die Augen wie glühende Kohlen herausleuchteten. Man stellte mir den Mann als Die Große Bestie vor.«
»Anscheinend hat die Bestie sie hypnotisiert, Carolyn«, erwiderte Halliday. »Und ich bezweifle nicht, daß das bei allen anderen Frauen dieser Sekte genauso geschehen ist. Die Bestie hält alle in ihrer Gewalt. Und ich glaube, ich weiß auch den Grund, weshalb sie das tut.«
Carolyn starrte ihn verständnislos an, was nicht verwunderlich war, denn sie hatte die ganze Vergangenheit, seit ihrem ersten Treffen mit der Bestie – was immerhin ganze vier Monate zurücklag – völlig vergessen. Halliday schwankte deswegen auch, ihr alles zu erzählen, was er bisher über die Bestie und ihren Orden erfahren hatte. Mit Sicherheit hatten sie außer dem Mord an Gordon noch weitere Menschenleben auf dem Gewissen. Es bestand die Möglichkeit, daß Carolyn O’Hara bei diesen Morden dabeigewesen war oder vielleicht sogar Hand mit angelegt hatte. Da er sie nicht unnötig nervlich belasten wollte, beschloß er, ihr diese Dinge vorerst zu verschweigen. Er erzählte ihr, was er in seiner Wohnung gesehen habe, wie er zusammen mit Gordon den Tempel der Hexen gefunden habe und wie Gordon verschwunden war. Er erzählte ihr auch von der Belagerung durch die Hexen in seinem Jagdhaus und ihren hypnotischen Versuchen, auf seinen Geist Einfluß zu gewinnen:
»Gibt es das denn?« fragte sie, nachdem er geendet hatte. »Ich meine, kann man einen Menschen Dinge sehen, sagen und tun lassen, die er gar nicht will?«
»Offensichtlich ja«, gab Halliday zu. »Ich habe bereits früher von hypnotischen Versuchen in der Medizin gehört...«
Ein kratzendes Geräusch brachte ihn zum Schweigen. War da nicht leises Fußgetrappel? Halliday spürte, wie sich seine Nackenhaare steil aufstellten.
***
Nachdem Mike Kodiak und Steve Caine die Ruine mit Hilfe ihrer starken Stablampen – die das Gebäude taghell erleuchteten – einer konsequenten Suchaktion unterworfen hatten, fanden sie den Eingang recht schnell.
Ohne sinnlose Worte zu verlieren, öffneten sie ihn und kletterten in die Tiefe hinab. Steigeisen – sie waren rostig und verwittert, gelegentlich sogar zerbrochen – wiesen ihnen den Weg. Der Schacht, der sich unter ihnen auftat, ging etwa fünfzehn bis zwanzig Meter in die Tiefe.
Dann, als sie wieder festen Grund unter den Füßen hatten, flüsterte Caine: »Dort hinten, Kody! Fackeln!«
Tatsächlich. Vor ihnen tat sich ein Gang auf, der zwar nicht sonderlich breit, aber hoch genug war, um aufrecht in ihm zu gehen. In gewissen Abständen waren Pechfackeln angebracht, die in eisernen Ringen steckten. Der Gang wurde von einem diffusen, schatten werfenden Halblicht erfüllt. Von irgendwo aus der Tiefe drangen undefinierbare Geräusche an ihre Ohren.
Ein kalter Luftzug umwehte sie. Kodiak verlor für eine Sekunde das Gleichgewicht und tastete hilfe- und haltsuchend nach der Wand. Seine Finger griffen in feuchtes Gestein, das von einer stinkenden, grünen Pilzschicht überwuchert war.
Die beiden Detektive tauschten einen Blick und griffen einmütig zu ihren Pistolen. Es gab für sie jetzt keinen Zweifel mehr, daß sie in der Höhle des Löwen angekommen waren. Wenn man sie entdeckte, gab es keine Gnade, denn Menschen, die ihren bevorzugten Aufenthaltsort in dunkle, unterirdische Gewölbe verlegen, haben gewöhnlich guten Grund dazu.
Langsam gingen sie weiter. Der Gang wurde allmählich breiter und heller. Irgendwo am Ende schien eine Grotte zu sein, in der sich Unbeschreibliches abspielte.
Jetzt konnten sie deutlich Schreie ausmachen. Der Klang fremdartiger Musikinstrumente drang an ihre Ohren, dann ein tiefer, dumpfer Gong, der von den Wänden widerhallte, ein dutzendfaches Echo erzeugte.
»Offensichtlich kommen wir gerade zur rechten Zeit«, flüsterte Kodiak. Sie hatten jetzt den Gang fast hinter sich gebracht. Vor ihnen türmten sich einige Felsen auf, die ein ausgezeichnetes Versteck boten, um die Grotte zu überblicken.
Erstarrt blieben die beiden Männer stehen. Vor ihren Augen spielte sich Unbeschreibliches ab: vier Frauen, grell angemalt und fast unbekleidet, trugen einen blutbesudelten Mann zwischen sich, den sie offensichtlich gerade von einem in der
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