084 - Machetta, Sumpfhexe vom Mississippi
Perry Wilkinson! Nur die Hülle
stimmte noch mit der Person überein, die man kannte.
Der
Großgewachsene trat einen Schritt nach vorn. Seine dunklen, lebhaft funkelnden
Augen waren auf das achtzehn Stockwerke hohe Haus gerichtet. Dort oben, in der
zehnten Etage auf der rechten Seite, war vor einer halben Stunde das Licht
ausgegangen.
Dort oben
lebte Larry Brent.
Perry
Wilkinson leckte sich mit der Zunge über die spröden, trockenen Lippen.
»Ich bin
Machetta!« hämmerte es in seinem Hirn, und ein leises, häßliches Lachen kam
über seine schmalen Lippen. »Nichts entgeht mir, niemand kann mir etwas
anhaben! Wer sich mir in den Weg stellt, wird beseitigt. Wer Machettas
Geheimnis zu enträtseln wagt, ist des Todes.«
Die dunklen
Augen glitzerten.
Tod und
Verderben waren in diesem unbarmherzigen, unmenschlichen Blick zu lesen.
Perry
Wilkinson machte ein paar trippelnde Schritte vorwärts, als würde ihn
unverhofft eine unsichtbare Hand nach vorn stoßen. Er lehnte sich schräg gegen
den Laternenpfahl. Sein Körper war stocksteif, als wäre ein Pfahl
durchgeschlagen.
Die Finger
streckten sich. Das Leben wich aus Perry Wilkinsons Hülle.
Der wahre
Leib Machettas, der Sumpfhexe vom Mississippi, zeigte sich.
Wie ein
dünner, grauer Nebelschleier strömte es aus den Poren. Die gasförmige Gestalt nahm
an Volumen zu und dehnte sich aus. In dem formlosen Etwas, das rund zwei Meter
über der leeren, leblosen, steifen Hülle schwebte, nahm man den zurückgelassenen
Wirtskörper wahr.
»Du alter
Trottel«, wisperte es in Machettas Geist und ein unheimliches, dämonisches
Flüstern erfüllte den Nebelkörper, der aussah wie eine diffuse, sich
verflüchtende Wolke.
»Mein
Geheimnis wolltest du ergründen? Du hast dir zuviel vorgenommen! Seit zwanzig Jahren
bist du bei mir, und nun gehörst du endgültig mir, bis ich mich entschließe,
einen neuen Wirtskörper zu präparieren. Allerdings muß ich dir eine kleine List
zugute halten. Es ist dir gelungen, mich zu verunsichern. Du hast das Okkulte,
das Übernatürliche erforscht und bist auf meine Spur gestoßen. Dieses
verfluchte Bild, das ein Medium von mir und meiner Hütte in den Sumpfwäldern
gezeichnet hat, wies dir den Weg. Aber es ist nicht gut, mich in meiner Ruhe
und meinen Meditationen zu stören. Meine Heimat ist das Moor, der Sumpf, nicht
diese hektische, widerliche Stadt, Perry Wilkinson. Erst als ich dein Gehirn
bis ins Letzte durchforscht und auch die okkulte Schranke beseitigt hatte, mit
der du dein Wissen tarntest, wurde mir klar, daß ich hierherkommen mußte.«
Machettas
Nebelkörper schwebte davon. Sie stieg die Häuserschlucht empor. Wind und Luft trugen
das feine Gespinst in die Höhe. Machetta konnte ihren gasförmigen Körper in
eine bestimmte Richtung steuern. Sie war Geist und Kraft, in einer körperlosen,
flüchtigen Substanz hatte sie die Jahrhunderte überdauert.
Die
Nebelwolke schwebte lautlos und unbemerkt in die zehnte Etage. Machetta hatte
sehr genau aufgepaßt. Sie war Larry Brent seit heute mittag nachgefolgt und
erfuhr, daß er eine Schwester hatte, die als Schauspielerin im
Amusement-Theater auftrat.
Sie sollte
nach Poul Anders das nächste Opfer sein. Doch Larry Brent war dazugekommen.
Und Machetta
hatte von Miriam Brent ablassen müssen. Es gab ein Gesetz, dem niedere Geister
gehorchen mußten. Und diesem Gesetz, diesem Zwang war auch sie unterworfen: nie
durfte jemand Zeuge beim Töten sein!
Sie erreichte
das offenstehende Fenster, hinter dem Larry Brents Wohnzimmer lag. Die Tür zum
anschließenden Schlafzimmer war geschlossen. Dahinter ruhte Miriam.
Machetta
glitt als unförmiger Nebel in das Wohnzimmer.
Töten,
wisperte es in ihr… Du mußt töten… Er ist stark… Er ist ein Denker. Durch ihn droht
Gefahr, Wilkinsons wirkliches Schicksal zu enträtseln.
Der Nebel
formierte sich. Eine menschliche Gestalt erstand. Lange Arme, mit spitzen,
gekrümmten Fingern. Wie ein häßlicher, bösartig dämonischer Schatten schwebte
der ungeheuerliche Körper der gespenstischen Hexe durch das Zimmer. Der Kopf
war lang, das Profil, das sich bildete, kantig und scharf und grob, wie mit
einem Meißel eingestemmt.
Über dem
Stuhl hing das Hemd. Machetta griff danach, wickelte es schnell zu einem langen
Seil und näherte sich dann dem ahnungslosen Schläfer.
Das zum
Strick gewordene Hemd legte sich um Larry Brents Kopf.
Und dann ging
es blitzschnell!
Machetta zog
den Strick an. Larrys Kopf flog in die Höhe, der Strick legte sich um
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