0840 - Siegel der Rache
dieser Art. Werksspionage also, bei der es überhaupt nicht um das Buch an sich ging. Gleichgültig. Dann zerstören wir es eben anders. Und ich weiß auch schon wie.«
Serou war sich beinahe sicher, dass die drei ihm diese Story abkauften. Wer wusste schon, ober damit wirklich so weit von der Wahrheit entfernt war? Doch der Schweiß in Carls Nacken sprach eine ganz andere Sprache.
Angst - kalte Angst vor unerklärlichen Phänomenen wie diesem hier. Sein ganzes Leben lang hatte sie ihn begleitet. Wenn Serou etwas nicht mehr mit seinem analytischen Verstand zu erklären wusste, dann kam die Angst. Nur durfte er sie hier nicht zeigen.
Mit raschen Schritten kehrte er noch einmal in den hinteren Raum zurück, griff dort nach einem Ledersack, in dem Arbeiter früher ihre Utensilien verstaut hatten. Das Buch passte bequem hinein.
Jetzt war nicht die Zeit, sich mit diesem unbrennbaren Folianten zu befassen. Ein kurzer Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass sie nicht mehr trödeln durften. Man erwartete Carl. Mit einem Schwung schulterte er den Beutel mitsamt seinem merkwürdigen Inhalt.
»Los jetzt. Ihr wisst genau, wir können es uns nicht leisten aufzufallen. Jedenfalls jetzt noch nicht. Aber bald ist es so weit. Dann beginnt für uns vier ein neues Leben.« Das waren die Worte, mit denen Serou die drei immer wieder packen konnte. Sie glaubten ihm.
Ein neues Leben - sicher, doch nur für ihn selbst. Mischa, Poul und Rat durften eine solche Chance niemals erhalten. Dafür würde Carl sorgen.
Auf dem Weg nach draußen fiel ihm eine Methode ein, mit der er das Buch garantiert zerstören konnte. Spätestens morgen in aller Frühe… denn dann führte ihn sein Weg wie immer nahe am Flughafengebiet vorbei, und an der großen Papierfabrik, die unweit vom Aéroport Lyon - Saint Exupéry lag.
Oft schon hatte er sich im vorbeifahren wohl gefragt, ob es überhaupt irgendetwas gab, dass die dort laufende Papiermühle hätte bremsen können.
Nun gab es etwas, mit dem er sich diese Frage selbst beantworten konnte.
***
Am Abend wurde im Château Montagne ein Siegel gebrochen. Doch in diesem Fall war es keines der Buchsiegel, sondern das der Polizei; einer von Robins Leuten hatte es an der notdürftig eingehängten Tür zu Zamorras Arbeitsraum angebracht. Der Professor riss es achtlos auf. Es interessierte ihn nicht, dass er damit gegen das Gesetz verstieß.
Es hatte Stunden gedauert, bis Robin mit seinen Männern abgezogen war.
Die Spurensicherung dauerte ihre Zeit, gefunden hatte man trotzdem nichts Verwertbares. Dennoch war das Zimmer versiegelt worden. Möglicherweise war ja eine erneute Untersuchung notwendig.
Zamorra ließ sich schwer in seinen Arbeitssessel fallen. Er hoffte, dass er hier Ruhe finden konnte. Vor allem wollte er alleine sein, niemanden sehen. Nicht einmal Nicole. Nein, sie im Grunde an erster Stelle nicht. Ihr konnte er nichts verheimlichen. Sie würde spüren, wie er sich fühlte, würde mit ihrer ausgeprägten Emotionalität bemerken, dass sie es war, der Zamorra die Schuld an diesem Desaster zuschrieb.
Wer hätte es denn sonst sein sollen?
Immerhin hatte sie schon einmal versucht, das Buch zu entfernen…
Zamorra war bemüht, Verständnis für Nicoles Handlung in sich zu wecken. Es wollte ganz einfach nicht funktionieren. Sie hatte versucht, das Siegelbuch zu zerstören, hatte es gemeinsam mit Fooly aus dem Château verbannen wollen. Alle Versuche waren gescheitert. Doch sie hatte offenbar ihre Pläne deshalb nicht ruhen lassen.
Wie war es ihr nur gelungen, sich diesen Verbrechern zu nähern? Nicht einmal Pierre Robin mit seinem gesamten Apparat der Polizei hatte das geschafft.
Etwas bewegte sich am Boden, direkt bei Zamorras Füßen; irgendetwas schlich auf samtenen Pfoten um seine Beine herum. Zamorra war auch körperlich viel zu geschwächt, um schnell reagieren zu können. Im nächsten Augenblick sprang ein dunkler Schatten auf den Tisch vor ihm.
Die Katze!
Das Tier, das seit dem Tag, an dem Zamorra das Siegelbuch gefunden hatte, hier im Château ein und ausging, wie es ihm beliebte. Der Parapsychologe hatte den Stubentiger gejagt, hatte ihn zu locken versucht. Alles vergebliche Mühen, denn das Tier tat nur das, was es wollte. Nun, so waren Katzen eben, und das war schließlich ein Hauptgrund, warum Menschen sie so liebten, sie immer um sich haben wollten.
Nun jedoch setzte das Tier sich nur eine halbe Armlänge von Zamorra entfernt nieder. Die schlauen Augen fixierten den Professor,
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