0840 - Siegel der Rache
Stimme der Frau. »Wo ist es jetzt?«
»In meinem Büro. Ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Sagen Sie es mir.«
Die Augen der Frau schlossen sich erneut, ein kurzer Schauer lief durch ihren Körper, denn die Schmerzen wurden übermächtig. Dennoch war ihre Anweisung klar und eindeutig.
»Sie bringen es nachher zu mir. Aber jetzt noch nicht. Schicken Sie den Doktor zu mir. Sagen Sie ihm, es eilt.«
Ohne ein Wort zu verlieren, verließ der Mann das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Die Schmerzwelle raste durch ihren Leib, heftiger denn je. Doch ihr Geist war wie elektrisiert, schottete sich von den Qualen ab, so gut das nur eben ging.
Das Buch. Teufelszeug hatte er gesagt.
Wie auch immer… Da war kein Platz mehr für andere Gedanken in ihrem Bewusstsein. Denn dies Geheimnis galt es nun zu ergründen. Nichts anderes konnte sie in diesen Sekunden interessieren.
Nicht einmal der Schmerz…
***
Notre-Dame de Fourvière überragte die gesamte Stadt.
Auf einem Hügel errichtet, bot die Basilika so den besten Blick auf Lyon, da gab es keinen Zweifel. Und ein Blick lohnte sich hier allemal - auch deren zwei, denn Lyon war eine schöne Stadt, deren Altstadt nicht umsonst zum Kulturerbe der UNESCO zählte.
Gut 450.000 Menschen arbeiteten und lebten hier, und offenbar taten sie das gerne, denn man sagte ja, dass zufriedene Menschen zu feiern verstanden, sich gerne mit kulinarischen Köstlichkeiten umgaben und auch einen guten Tropfen nicht verschmähten. Wenn man das als Gradmesser nahm, dann waren die Lyoner mehr als zufrieden.
Es fehlte ihnen hier auch wirklich an nichts, denn die Einkaufsmeile der Stadt war weithin berühmt, hatte so manche Brieftasche nachhaltig erschüttert.
Nicole Duval war hier in den einschlägigen Läden durchaus keine Unbekannte.
Doch an all das dachte Professor Zamorra nicht, als er den BMW parkte. Feiern, gutes Essen im Restaurant des großen Paul Bocuse… Nicole… Alles war so weit entfernt, als sei es hinter einer dichten Nebelwand versteckt. Selbst wenn er versucht hätte, seinen Arm in diese Wand zu stecken, sie zu zerreißen, wäre ihm das nicht gelungen. Er versuchte es jedoch nicht einmal. Es war ihm gleichgültig, was sich hinter dem schwarzen Dunst verbarg, der sich um sein Denken gelegt hatte. Alles war zur Bedeutungslosigkeit verblasst. Alles, bis auf das eine Ziel, das er mit allen Mitteln zu erreichen gedachte.
Das Siegelbuch… Er brauchte es!
Und aus diesem Grund hatte er seinen Wagen exakt hier geparkt. Die Ortsangabe, die van Zant Zamorra durchgegeben hatte, war einerseits präzise, andererseits reichlich ungenau. Stade-De-Gerland und Place Guichard - das umfasste eine Strecke von mehreren Kilometern, ganz zu schweigen von den umliegenden Gebieten, denn van Zant hatte klar und deutlich gesagt, dass diese zwei Plätze ja nur die Radius-Endpunkte eines Kreises bildeten, in dem irgendwo das Handy zu finden war.
Das Handy - nicht zwangsläufig auch das Siegelbuch.
Auch daran dachte Zamorra in diesen Momenten nicht, denn für ihn gehörten diese beiden Gegenstände so lange zusammen, bis er das Gegenteil mit eigenen Augen sehen konnte. So schwammig sein Denken auch jetzt sein mochte, so analytisch funktionierte sein Verstand in dieser Richtung. Fand er das Handy, würde er das Buch entdecken, zumindest eine weitere Spur, die ihn zum Ziel seiner Sucht bringen musste.
Wer sich ihm dabei in den Weg stellen mochte, den würde er zur Seite drängen, ausschalten, selbst töten! VVoleurs mochten die Polizei ganz Frankreichs zum Narren halten, sie mochten gefährliche Verbrecher sein, die selbst vor Mord nicht zurückschreckten. Das interessierte Zamorra alles nicht. Ihm sollten sie besser aus dem Weg gehen.
Denn auch er sah keinen Grund, das Leben dieser Bande zu verschonen.
Zamorra war oft genug in Lyon gewesen. Natürlich sagten ihm die Namen Stade-De-Gerland und Place Guichard etwas, doch er konnte beides nicht in einen logischen Konsens bringen. Oder gab es da überhaupt keinen?
Er hatte sich rasch entschieden - Stade-De-Gerland sollte der Ausgangspunkt seiner Suche werden. Weithin war das Stadion des französischen Erstligisten »Olympique Lyon« sichtbar. Es stellte sich dem Parapsychologen nur die eine Frage, wo er mit der Suche beginnen sollte. Im Stadion?
1926 wurde dieses Fußballstadion erbaut, in dem die Spieler von Olympique in den Jahren 2002 bis 2005 viermal hintereinander die Meisterschaft für sich erringen konnten. 43.000 Zuschauer
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