0841 - Der gläserne Tod
fanden wir das erste Opfer. Wir dachten, es sei eines natürlichen Todes gestorben. Wir hoben es hoch, um es in unsere Zentralhöhle zu bringen. Wo wir auf den Leib Druck ausübten, zerbrach er und wehte als Staub in alle Winde. Seht her.« Es deutete auf ein abgebrochenes Bein. »Wir transportieren die Leiber mit aller nur möglichen Vorsicht, aber die Beine brechen ab wie Glas, zersplittern und zerpulvern.«
Der Zwitter trat näher, Zamorra tat es ihm gleich. Sie begutachteten die Bruchstelle genauer. Der Meister des Übersinnlichen fuhr mit dem Finger vorsichtig darüber. Es knackte leise, ein dünner, sich zerfasernder Riss raste über die Oberfläche der Extremität. Ein winziges Stück brach ab, fiel zu Boden und löste sich durch den Aufprall in Staub auf.
»Es tut mir Leid«, sagte er.
»Die Leiber der Toten sind heilig, aber es lässt sich nicht vermeiden, dass wir sie schädigen.«
Pulvertrocken , erkannte Zamorra. Die Leichen sind völlig ausgetrocknet. Es schien, als befände sich nicht mehr die geringste Flüssigkeitsmenge in ihnen. Die ledrige Haut, das Muskelgewebe, selbst die Knochen waren offensichtlich derart spröde, dass sie nicht mehr dem geringsten Druck widerstehen konnten.
Deshalb verwesen die Leichen auch nicht. Sie sind mumifiziert. »Wieso glaubst du uns, dass wir nichts mit dem Sterben deines Volkes zu tun haben? Es ist ungewöhnlich, dass du und dein Volk uns ungeprüft Vertrauen schenken.«
»Ich vertraue euch, weil mir keine andere Wahl bleibt. Wenn ihr den gläsernen Tod verursachen würdet, wärt ihr nicht mit in diese Höhle gegangen, sondern hättet mich oben in der Wüste getötet.« Filrak schob seinen Leib näher an Zamorra, ohne die Beine zu bewegen. »Und mein Volk wiederum vertraut euch, weil ich euch vertraue.«
Eine einfache Rechnung, die allerdings einen gewaltigen Fehler aufweist, dachte Zamorra. Wenn er doch der Feind der Wüstensprinter gewesen wäre, hätte er nun Zutritt zu ihrer zentralen Höhle erlangt…
»Wenn wir euch helfen sollen«, sagte Nicole, »müssen wir mehr erfahren. Wo werden die Leichen gefunden? Wann? Wie häufig? Gab es bereits Untersuchungen? Gibt es…«
»Wir sollten miteinander reden!«, unterbrach der Zwitter und warf Nicole einen scharfen Blick zu. »Ohne dass Filrak und die anderen uns zuhören.«
»Ihr…«, begann der Achtbeiner, wurde jedoch von dem Zwitter unterbrochen.
»Wir werden uns in den Gang zurückziehen. Ohne dich! Wir müssen etwas besprechen.« Sein Tonfall duldete keinen Widerspruch.
Zamorra atmete tief durch. »Wir kommen zurück, Filrak«, versicherte er. Ihm gefiel der Befehlston nicht, den der Zwitter anschlug. Allerdings war ein Austausch tatsächlich notwendig. Die ganze Situation hatte sich auf höchst ungewöhnliche Weise entwickelt.
»Ich werde zu den anderen gehen«, sagte der Wüstensprinter, ohne erkennen zu lassen, was er von der Entscheidung der Dämonenjäger hielt.
Niemand hinderte sie daran, den Gang zu betreten. Sie schritten etliche Meter hinein, bis sie sicher sein konnten, dass ihr Gespräch unbelauscht blieb.
»Wir sind nicht hier in dieser Welt, um das Problem dieses Spinnenvolkes zu lösen«, sagte der Zwitter scharf. »Es mag bedauerlich sein, dass sie sterben, aber das ist nicht unser Problem.«
»Ich dachte mir, dass du diese Auffassung vertrittst«, erwiderte Zamorra. »Ich bin überzeugt davon, dass diese gehäuften Todesfälle kein natürliches Phänomen sind. Hier sind Dämonen am Werk!«
»Und weiter?« Der Zwitter verzog verächtlich das Gesicht. »Was geht es uns an?«
»Ich kämpfe gegen die Dämonen, wo auch immer ich auf sie treffe«, antwortete Zamorra kühl. »Diese Spinnen mögen auf den ersten Blick in unseren Augen nicht besonders freundlich wirken, aber sie sind ein Volk, dem großes Unrecht geschieht!«
»Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, alles Unrecht im Omniversum zu ahnden. Andrew Millings dachte am Ende seines Lebens wieder genauso wie du, aber er irrte sich.«
»Ohne Filrak wären wir jetzt dort oben in der Wüste und müssten uns fragen, ob wir die Nacht überleben.«
Der Zwitter gab sich ungerührt. »Ich habe Kräfte gesammelt. Ich werde schon bald eine Teleportation durchführen können, die uns in eine klimatisch freundlichere Gegend dieser Welt führt. Von dort können wir Kelvos Spur aufnehmen und versuchen…«
»Was ist«, unterbrach Nicole schneidend, »wenn wir diese Spur längst gefunden haben? Ist es denn so unwahrscheinlich, dass Kelvo
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