0841 - Erst lieb ich dich, dann beiß ich dich!
geben, und Maria wußte, daß sie ihn nicht allein lassen konnte. Er litt zu sehr, schließlich war sie seine Frau. Vor dem Altar und vor Gott hatten sie sich das Jawort gegeben.
Ihre Hand bewegte sich auf das Pflaster zu. Juan war jetzt ruhig. Er hatte den Kopf zur rechten Seite gedreht, so daß seine linke freilag. Mit spitzen Fingern faßte Maria nach einer Ecke des Pflasters und zog daran.
Sie erschrak.
Himmel, die beiden Punkte waren keine Punkte oder Einstiche mehr. Sie hatten sich verändert und waren gewachsen, zudem hatten sie sich noch entzündet.
Um die Einstichstellen herum war die Haut hart geworden. Außerdem näßten die Wunden und sonderten einen leichten Eitergeruch ab.
Wenn sie das sah, kam sie immer mehr zu der Überzeugung, daß er von keinem Insekt gebissen worden war. Da mußte etwas anderes dahinterstecken.
Cynthia!
Auf diese Person konzentrierten sich ihre Gedanken. Das Fest war ihr egal geworden, es hatte der Malerin nur als Mittel zum Zweck gedient. Diese Frau hatte nur das Ziel gehabt, an den Stellvertretenden Botschafter heranzukommen, aber Maria fragte sich, warum sie gerade ihren Gatten ausgesucht hatte. Schließlich gab es genügend Männer, an denen sie ihr Mütchen hätte kühlen oder den Frust hätte ablassen können.
Es war ungewöhnlich und auch gefährlich.
Sie richtete sich auf. Auch sie fühlte sich nicht übermäßig stark, und sie war froh, daß es einen Mann gab, der sich von dieser Schlange nicht hatte einwickeln lassen.
Maria Sanchez war so tief in ihre Überlegungen versunken, daß sie die Veränderung zu spät bemerkte, denn da war die Tür bereits wieder ins Schloß gefallen.
Maria schnellte hoch und drehte sich.
Vor der Tür stand eine Gestalt.
Ein Schauer rann über Marias Rücken, als sie erkannte, wer das Schlafzimmer betreten hatte. Cynthia Droux lachte leise, als sie langsam vorging. Sie mußte dabei einen Wandspiegel passieren, und Maria, die genau hinschaute, schrak plötzlich zusammen, denn ihr war aufgefallen, daß Cynthia kein Spiegelbild hatte.
Nein, keine Täuschung, sie war nicht zu sehen gewesen, und das konnte sich Maria nicht erklären.
Juan, der bisher still auf dem Bett gelegen hatte, war unruhiger geworden. Er hielt die Augen offen und hatte den Kopf um eine Idee angehoben. So konnte er über das Fußende hinwegblicken und mußte zwangsläufig die Besucherin sehen.
»Cynthia…«
Keine der Frauen reagierte. »Du bist gekommen?«
»Sei ruhig, Juan!« flüsterte Maria, bevor sie sich wieder der Malerin zuwandte, die am Bettende direkt neben der rechten Kante stehengeblieben war und gegen Maria schaute.
»Was wollen Sie hier?« fragte Maria Sanchez.
»Rache!«
Es war eine Antwort gewesen, die auch Fragen aufgeworfen hatte, und Maria schüttelte deshalb den Kopf. »Rache?« wiederholte sie, »wieso Rache?«
»Du weißt nicht, was mir angetan worden ist?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Es liegt sehr lange zurück. Jahrhunderte, aber damals hat es die Familie Sanchez auch gegeben. Unter anderem gab es einen Romero Sanchez, der sich als Inquisitor aufspielte und die Menschen jagte, die seiner Meinung nach mit dem Teufel im Bunde standen. So hat er auch mich gejagt, denn ich wurde als Hexe denunziert. Er hat auch versucht, mich zu vergewaltigen, bevor man mich der Folter übergab, die ich erlitten hatte. Aber ich starb nicht, ich war zäh, zudem sollte ich auf dem Scheiterhaufen brennen. In der Nacht vor meinem Tod aber kriegte ich Besuch von einem außergewöhnlichen Mann.« Auf ihr Gesicht legte sich ein schwärmerisches Lächeln. »Es war eine Gestalt wie aus der Legende. Groß und mächtig, und dieser Mann versprach mir das ewige Leben.«
»Das gibt es so nicht!« widersprach die gläubige Frau.
»Doch, Maria, doch. Nur denkst du eingleisig. Ich habe es erlebt, denn in der Nacht vor meinem Verbrennen kam er zu mir, und ich habe sofort ja gesagt, als er darum bat, mein Blut trinken zu dürfen, denn das war der Preis für das ewige Leben.«
Maria schluckte. »Dein… dein Blut!«
»Ja, denn er war ein Vampir!«
Für Maria Sanchez brach eine Welt zusammen. Sie hörte hier Dinge, die sie zwar kannte, aber bisher stets in das Reich der Fabel verwiesen hatte. Vampire und andere Geschöpfe, darüber sprach man höchstens, wenn man sich gruseln wollte, las eine Horrorgeschichte oder schaute sich einen entsprechenden Film an.
»Du glaubst mir nicht - oder?«
Maria hob die Schultern.
»Ich erzähle trotzdem weiter. Dieser Vampir
Weitere Kostenlose Bücher