0844 - Tödliches Amsterdam
stand Jolanda und kochte frischen Kakao. Eigentlich ein Anachronismus, wenn man bedachte, zu was diese Frau und auch ihr Begleiter fähig waren, aber das war die andere Seite ihres Lebens, die dunkle und geheimnisvolle.
Tagsüber gingen sie ihrem Beruf nach. Sie waren Agenten, Vermittler, sie lebten von ihren Beziehungen und vom Telefon. Wer immer etwas brauchte, sei es einen Tapezierer für die Wohnung oder jemand, der die Hunde einer alten Frau spazierenführte und noch nebenbei einkaufte, sie waren bei Jolanda und Rob an der richtigen Adresse, denn sie vermittelten fast alles.
Zur Zeit machten sie allerdings Urlaub, was jeder, der anrief, auf dem Beantworter hören konnte. Ihr zweites Leben hatte einfach zu stark in das erste hineingestrahlt, so daß sie diesem Vorrang geben mußten.
Noch immer wußten sie nicht so recht, was eigentlich genau ablief. Sie hatten den Weg in diesen verfluchten Tunnel gefunden, sie hatten dort die lebenden Leichen gesehen, die so hungrig auf Menschen waren, aber sie forschten noch immer nach den Gründen, die wohl, davon gingen sie aus, tief in der Vergangenheit liegen mußten.
Mit den beiden Tassen in den Händen ging Jolanda zum Tisch und setzte sich. Sie lächelte, als sie das ernste Gesicht ihres Partners sah. »Sieht es denn so schlimm aus?«
»Ich weiß es nicht.«
»Zumindest sind die beiden Engländer in der Stadt eingetroffen und haben dabei schon für Furore gesorgt. Der Schattenkrieger hat uns einen guten Tip gegeben.«
Rob verzog das Gesicht, weil er sich beim ersten Schluck die Lippen verbrüht hatte. »Heiß…«
»Zu heiß?«
»Es ist meine Schuld.« Er trank jetzt vorsichtiger und nickte, weil ihm der Kakao gut schmeckte. »Um noch einmal auf Sinclair und seinen Freund Suko zurückzukommen, sie haben sich erfolgreich gewehrt, das konnten wir ja beobachten, nur wird sie das keinen einzigen Schritt voranbringen, denke ich.«
Jolanda überlegte. Beide Hände hielt sie um die Tasse geklammert, als wollte sie sich daran wärmen. »Ja, im Prinzip stimme ich dir zu. Es ist ein Monstrum weniger. Aber wie viele werden noch in die Grachten schwimmen, ohne daß wir etwas dagegen unternehmen können, weil wir einfach nicht in das Zentrum hineingelangen.« Sie seufzte. »Die Stadt steht auf einem dünnen Brett, das jeden Augenblick zusammenbrechen kann, um alles zu verschlingen.«
»Das wissen wir, Jolanda. Ich frage mich nur, wie du es den anderen beibringen willst, und zwar den Menschen, die dafür verantwortlich sind und etwas unternehmen könnten.«
»Wen meinst du damit?«
»Die Offiziellen. Die Stadträte, die Politiker und so weiter!« Er schüttelte den Kopf, als er Jolandas Lächeln sah. »Ich weiß, daß es nicht so ist oder werden wird, wie wir es uns vorstellen. Niemand würde uns glauben, die beiden Engländer ausgenommen, und deshalb werden wir zusehen, daß wir sie so rasch wie möglich treffen.«
»Wo?«
»Das läßt sich herausfinden, ist nicht das Problem.«
»Wie soll es dann weitergehen?«
»Wir müssen das Zentrum gemeinsam finden.« Robs Stimme bekam einen beschwörenden Klang. »Auch wenn du mich für einen Spinner hältst, ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß unser Tunnel mit dem eigentlichen Zentrum nichts zu tun hat. Es liegt woanders. Es muß ein Ort des Bösen sein, ein Areal dämonischer Kräfte, die Zeit genug gehabt hatten, sich sammeln zu können, und die jetzt freizukommen versuchen.«
»Du meinst nicht die gierigen Monstren?«
»Überhaupt nicht. Sie sind nur das Beiwerk, sie sind die grausame Staffage, und sie sind zuerst freigekommen und entlassen worden, um die Lage zu sondieren.«
»Kein Widerspruch.«
»Deshalb müßten wir uns von ihnen zum Zentrum führen lassen«, sagte Rob leise.
»Dann finde sie.«
»Das ist das Problem.«
»Für uns?«
Rob lächelte milde. »Am Tage schon. Wir haben es bisher nicht geschafft, uns in den Zweitzustand versetzen zu können, wenn es hell ist. Wir müssen auf die Nacht warten.«
»Wie auch Sinclair.«
»Kann sein, obwohl ich ihn zuvor treffen will.« Er räusperte sich. »Weißt du, ich möchte ihn dabeihaben, wenn es zu unserer Verwandlung kommt. Er soll an unserer Seite sein, vielleicht gelingt es uns mit seiner Hilfe, in das Zentrum einzudringen, von dem wir noch immer nicht wissen, ob es überhaupt so existiert, wie wir es uns vorstellen. Ich gehe einfach davon aus, daß es einen Antrieb gibt, eben dieses Böse, das wie ein Motor ist und seine Helfer antreibt.«
Jolanda
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