0846 - Im Namen des Leibhaftigen
Händen vergraben. Mein Herz schlug schneller als gewöhnlich. Nichts hatte sich im Zimmer verändert, das sah ich als ich die Hände sinken ließ, und doch war es nicht mehr so wie vor dem Einschlafen.
Eine fremde Kraft hatte Einzug gehalten. Sie war Hineingekrochen. Sie hatte sich weder durch Wände noch durch andere Dinge aufhalten lassen, sie beherrschte dieses Zimmer und lag unsichtbar zwischen mir und der Tür.
Ich selbst fühlte mich so ungewöhnlich erschöpft, als läge ein harter Kampf hinter mir. Ich fragte mich auch, warum mein Kreuz nicht reagiert hatte, kein Brennen, keine Hitze, kein feuriger Stoß, der mein Gehirn erwischte.
War das andere stärker gewesen?
Daran wollte ich nicht glauben, und es gelang mir zum Glück, meine Emotionen auszuschalten und die Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken.
Ich mußte den Realitäten Tribut zollen. Ich würde den Kampf aufnehmen, mochte der Feind auch noch so mächtig sein. Daß er hier in der Nähe lauerte, stand für mich fest. Er hatte mich also gefunden. War es nicht das, was ich gewollt hatte?
Noch saß ich. Sekunden später standen meine Füße in den Schuhen. Es waren dicke Winterslipper mit weichen Sohlen, und ich brauchte sie nicht extra zuzuschnüren.
Ich stellte mich hin - und hatte das Gefühl, mich irgendwo festhalten zu müssen.
So ähnlich kam ich mir vor, wenn ich ein oder zwei Gläser zuviel getrunken hatte, und ich gab mir selbst den Befehl, mich am Riemen zu reißen. Auf keinen Fall wollte ich mich fertigmachen lassen, das Grauen sollte nicht gewinnen.
Ich ging durch das Zimmer. Der Griff nach meinem Jackett geschah so, als wäre eine Automatik eingeschaltet worden. Ich streifte es über und bewegte mich auf die Tür zu.
Wollte ich das überhaupt?
In dem winzigen Flur blieb ich neben der Tür zum ebenfalls winzigen Bad stehen und dachte darüber nach. Nein, von einem gesteuerten Wollen konnte eigentlich keine Rede sein. Warum trieb es mich trotzdem dazu, das Zimmer zu verlassen?
Es lag nicht an mir, nur an ihm. Und dieser Grund hatte auch einen Namen.
Shango!
Nahezu erleichtert dachte ich an ihn. Auch daran, was Suko, Abe und ich besprochen hatten.
Shango war unterwegs. Shango suchte seine Feinde, um sie aus dem Weg zu räumen, und mit mir würde er den Anfang machen.
Er lockte mich.
Ich hörte ihn nicht, seine Stimme war nicht in meinem Gehirn, aber ich spürte ihn.
Deshalb öffnete ich die Tür.
Der Hotelflur war menschenleer. Das schwache Licht der Lampen fiel auf den grünbraunen Teppichboden. Meine Sohlen schleiften über den Boden. Wieder teilten sich in meinem Innern Kälte und Hitze auf. Sie erreichten meinen Kopf, den Rücken, und einmal fror ich, zum anderen aber schwitzte ich auch, ein ewiges Wechselbad.
Wohin?
Ich ging einfach geradeaus.
Zimmer für Zimmer passierte ich. An Suko dachte ich nicht mehr. Ich sah ein Bild vor meinem geistigen Auge, ohne es erkennen zu können. Es war nur mehr ein Schatten, ein verschwommener Fleck, der etwas Gnadenloses ausstrahlte, als würde er den Spruch im Namen des Leibhaftigen wörtlich nehmen.
Vor dem Lift blieb ich stehen. Mir standen zwei Türen zur Auswahl am Ende des Flurs, wo auch einige Zierpalmen standen, deren Blätter von einer dicken Staubschicht bedeckt waren.
Ich stand da und wartete.
Mein Herz schlug.
Der Rhythmus war okay. Das war in der letzten Zeit nicht immer so gewesen. Noch vor einigen Sekunden hatte es sich anders angehört. Daß es wieder normal schlug, mußte daran liegen, daß ich mich auf dem richtigen Weg befand, der leider nicht von mir, sondern von einem anderen vorgezeichnet worden war.
Shango führte mich…
Er war in diesem Augenblick der Meister, der mich zu seiner Marionette degradiert hatte.
Ich drückte auf den entsprechenden Kontakt, um den Lift hochzuholen. Lang brauchte ich nicht zu warten, um über die Schwelle zu treten. Dabei warf ich einen Blick auf meine Uhr.
Der Tag war genau drei Stunden und vier Minuten alt, als sich hinter mir die Tür schloß.
Allein stand ich in der Kabine. Ich verdrehte die Augen, schaute zur Decke und auch auf die Anzeige mit den zahlreichen Etagenzahlen.
Welchen Knopf sollte ich drücken?
Mein rechter Zeigefinger glitt auf und ab, ohne sich jedoch festzulegen. Ich wartete tatsächlich auf eine Eingebung, ähnlich wie jemand, der sich mit seinem neuen Schicksal voll und ganz abgefunden hatte.
Nach Sekunden der Suche hatte ich mein Ziel, gefunden. Es war der Knopf ganz unten. Garage!
Dieses
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