0847 - Shango
Treppe, den der Angestellte auch genommen hatte. Die in der Nähe liegenden Türen führten in verschiedene Räume, auch in eine Wäscherei.
Shango sah ich nicht mehr.
Ich atmete erst auf, als ich mein Zimmer betreten hatte. Das Licht im Raum erhellte auch die Ecken.
Dort war kein Shango zu sehen und auch kein Schatten. Ich hatte ihn vertrieben.
Doch für wie lange?
Keiner wußte es. Aber ich ging davon aus, daß er beim nächsten Angriff schneller sein würde und auch raffinierter…
***
Shango spürte Schmerzen!
Böse, widerliche, grelle Schmerzen, die ihn zerrissen, nein, nicht ihn, dafür seinen Schatten, der zweidimensional war, aber ebenso fühlte wie ein Körper.
Gleichzeitig wallte eine unheimliche Freude in ihm hoch, denn nun wußte er, daß ihm der große Dämon die Möglichkeit gegeben hatte, sich in den Schatten verwandeln zu können.
Bisher hatte er nur darauf gehofft und es noch nicht richtig geglaubt. Nun war der Fall tatsächlich eingetreten. Er bestand aus einem Körper und gleichzeitig einem Schatten und war auch in der Lage, beides getrennt entstehen zu lassen.
Nur der Angriff hatte ihm nicht ins Konzept gepaßt. Zum erstenmal hatte er die Kraft des Kreuzes aus der Nähe gespürt, und er war überrascht gewesen.
Überrascht von dieser irrsinnigen Kraft, die in diesem silbernen Gegenstand steckte, obwohl er sicher war, daß dieses Kreuz noch nicht seine gesamte Macht entfaltet hatte. Es war ihm im letzten Augenblick gelungen, wegzukommen. Als Schatten hatte er sich verflüchtigt und war von seinen Feinden nicht wahrgenommen worden. Welcher Mensch achtete schon auf einen Schatten? Draußen schon gar nicht, wo die Dunkelheit noch immer die Herrschaft ausübte und er sich wieder verwandeln konnte. Er hockte auf dem Boden, nicht mal weit von der Einfahrt zur Tiefgarage entfernt, aber er fühlte den Schmerz in seinem Körper, den der Schatten übertragen hatte.
In ihm brannte es. Ein Feuer, das nicht wärmte, das zerstören wollte, doch er kämpfte dagegen an.
Er nahm es nicht hin, er wollte leben, er wollte sich rächen und daran denken, wie sehr er seine beiden Zustände nun genießen konnte.
Es war einfach herrlich, zu wissen, wie er im Moment der höchsten Gefahr reagiert hatte. Da hatte sich eben sein Körper aufgelöst und war zu diesem Schatten geworden. Der Test war gut gelaufen, er mußte dem Mann mit dem Kreuz eigentlich dankbar sein, obwohl er ihn auf der anderen Seite haßte wie die Pest.
Er würde noch einmal mit ihm zusammentreffen, das stand für Shango fest. Und dann war er in der Lage, die Bedingungen zu diktieren, auch deshalb, weil er nun über seine Fähigkeiten so gut Bescheid wußte.
Er lächelte, als er an Cabal dachte.
Shango liebte seinen Bruder. Er wollte auch, daß beide wieder zusammenfanden, dann aber unter einer Bedingung. Daß er, Shango, die Führung übernahm.
Cabal war ihm zwar in vielem ähnlich, über die große Macht und dämonische Kraft verfügte nur Shango.
Er stand auf.
Die Luft kam ihm so herrlich frisch vor. Er nahm sie genießerisch auf und weitete dabei seine Nasenflügel. Die Augen waren zum Himmel gerichtet, einer dunklen Decke über der Riesenstadt New York, die allmählich erwachte.
Ein neuer Tag begann.
Ein Tag, an dem sich einiges verändern würde. Shango wollte seinen Racheplan fortsetzen, und er würde dann auf sein eigentliches Ziel zu sprechen kommen.
Wenn sie nach drei Toten nicht reagierten, würde er den Druck erhöhen und eine weitere Spur aus Leichen hinterlassen.
Er lachte.
Er freute sich.
»Ich bin ein Schatten!« flüsterte er. »Ich bin ein Schatten und ein Mensch und ein Dämon. Ich bin alles zusammen. Ich bin die Macht, ich bin die Zerstörung.«
Er war zufrieden, sehr sogar…
***
Ich hatte Suko abgeholt, um mit ihm gemeinsam nach unten in den Frühstücksraum zu fahren, wo Abe Douglas bereits auf uns wartete, denn er hatte mich im Zimmer angerufen.
»Weißt du, wie du aussiehst, John?«
»Sag es lieber nicht.«
»Warum nicht?«
Ich sah in sein lächelndes Gesicht und erwiderte: »Weil ich dich sonst beneiden könnte.«
»Du hast recht. Ich habe tatsächlich gut geschlafen, trotz allem.«
»Wie schön für dich.«
Im Lift war das Licht so hell, daß es meinen Augen wehtat. Geschlafen hatte ich auch, jedoch mit Unterbrechungen. Immer wieder war ich aufgewacht und hochgeschreckt, weil ich einfach das Gefühl gehabt hatte, von einem über mein Bett streichenden, kalten Schatten berührt zu werden.
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