0847 - Shango
Chic in den Kauf ihrer Kleidung legten.
Eigentlich fing sie erst am späten Vormittag an. An diesem Tag jedoch war sie schon früh aufgestanden. Sie mußte nach Chicago fliegen und einen der ersten Jets nehmen. Ihren Mann würde sie erst in zwei Tagen Wiedersehen, das waren beide gewohnt, und kurze Trennungen machten ihnen nichts aus. Jeder akzeptierte den Beruf des anderen.
Walter Bing saß noch am Tisch, als Lucie in die Küche trat. Sie trug das helle Armani-Kostüm und darüber einen weit geschnittenen Mantel aus Seide. Der Friseur hatte dem blonden Haar einen flotten Schnitt verpaßt, und Lucie wirkte wie aus einem Werbeprospekt für erfolgreiche Geschäftsfrauen.
Bing legte die Zeitung zur Seite. Er lächelte, als er seine Frau sah. Mittlerweile lebten sie schon vier Jahre zusammen, und sie kamen gut miteinander aus.
»Ich werde dann losdüsen. Das Taxi wartet schon.«
»Okay.« Bing stand auf. Er umarmte seine Frau. »Gib auf dich acht und laß es dir gutgehen.«
»Es werden harte Verhandlungen.« Ihre Lippen streiften seine linke Wange. »Und sieh du zu, daß du den verdammten Killer fängst. Am liebsten wäre es mir, wenn ich schon in einer Chicagoer Zeitung eine Erfolgsmeldung lesen könnte.«
»Mir auch, Lucie.«
»Ich rufe mal an.« Sie griff ihren Koffer, die Tasche hing über ihrer Schulter, und Walter brachte sie noch bis zur Tür. Im breiten Flur stieg Lucie in den Lift. Bevor sich die Türhälften schlossen, schickte sie ihrem Mann ein Lächeln entgegen. Daß es ein Abschied für immer war, ahnte keiner von ihnen.
Der Attorney blieb vor der offenen Wohnungstür stehen. Er wußte den Grund selbst nicht. Irgend etwas hatte ihn gestört oder irritiert. Forschend blickte er sich um, aber der Flur war leer. Es gab keinen Grund für ihn, mißtrauisch zu sein.
In der Wohnung tutete das Telefon. Bing lief hin, hob ab und hörte die Stimme seines Assistenten, die ziemlich aufgeregt klang. »Wann sind Sie im Büro, Walter?«
»Warum?«
»Weil mir die Presseleute die Hölle heiß machen. Ich weiß nicht mehr, wie ich sie abwimmeln soll.«
»Vertrösten Sie die Geier auf den Mittag, Charles.«
»Was soll ich ihnen denn sagen?«
»Lassen Sie sich etwas einfallen, verdammt. Sagen Sie ihnen meinetwegen, daß ich mit neuen Nachrichten und Ergebnissen kommen werde. Ich habe Douglas zu mir bestellt und werde mit ihm reden. Vielleicht bringt es etwas. Wenn nicht, werde ich ihm trotzdem Dampf unter dem Hintern machen, darauf können Sie sich verlassen.«
»Okay, Walter, bis später dann.«
Ärgerlich hängte Bing auf. Seine gute Laune war dahin, der Streß hatte ihn wieder. Wenn er etwas haßte, dann war es Erfolglosigkeit und der Umgang mit der Presse.
Er ging zurück in die Küche. Kaffee war jetzt wichtig. Bevor er sich setzen konnte, hörte er die Türglocke. Neben dem Tisch blieb er stehen und schaute auf seine Uhr. Douglas konnte es noch nicht sein. Vielleicht war es Lucie, die etwas vergessen hatte.
Walter Bing ging zurück. Er schaute auch nicht durch den Spion, öffnete die Tür, wollte etwas sagen, aber das Wort blieb ihm im Hals stecken.
Da stand niemand!
Bing holte tief Luft, um sein ungutes Gefühl zu unterdrücken. Er wußte noch nicht, was er unternehmen sollte, ging dann einen Schritt vor, weil er sehen wollte, ob sich der Besucher oder Lucie irgendwo im Flur aufhielten.
Der Flur war leer.
Aber wer hatte geklingelt?
Warum ihm plötzlich so kalt wurde, konnte er nicht sagen, Einen Temperatursturz hatte es nicht gegeben, die Ursache lag woanders. War doch jemand in der Nähe, den er nicht sah und nur spürte?
Bing ging langsam zurück, den Blick dabei nach vorn gerichtet. Der Flur blieb leer. Da hatte sich jemand einen Scherz erlaubt. Daß einer an der Haustür geklingelt hatte, nahm er nicht an, denn dort stand ein Aufpasser, der jeden Besucher persönlich anmeldete, die eigene Ehefrau oder den Ehemann ausgenommen.
Bing schloß die Tür und beging dabei einen Fehler. Er hätte nach unten schauen sollen, doch auf diese Idee kam er nicht. Warum auch? So sah er den Schatten nicht, der lautlos unter der Türritze hervor auftauchte.
Walter Bing war schon leicht beunruhigt, als er abermals zurück in die Küche ging. Auf dem Tisch standen noch die Reste des Frühstücks. Konfitüre, Spiegeleier und Toast.
Der Appetit war ihm genommen worden. Selbst die Zeitung interessierte ihn nicht. Statt dessen stellte er sich an das Fenster und schaute hinunter in die Fifth Avenue, über die sich
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