0848 - Der alte Mann verfluchte mich
nicht.«
Wir schwiegen beide. Die Flammen hatten sich wieder beruhigt. Ohne zu zittern, standen sie auf den Dochten und hinterließen an der Decke drei Kreise. Es hatte sich eine seltsame Spannung zwischen uns aufgebaut. Nicht daß der eine dem anderen nicht traute, aber keiner wollte als erster den Graben überspringen.
Cal unterbrach die Stille. »Ich kann es mir nicht vorstellen«, sagte er leise.
»Was nicht?«
Er lachte. »Du wirst es kaum glauben, aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen, daß der Herr der Legenden überhaupt telefoniert.. So etwas will nicht in meinen Kopf, John. Das ist für mich unwahrscheinlich, das kann ich einfach nicht nachvollziehen.«
»Es fällt auch mir schwer.«
»Und da ist noch etwas, das mich stört. Wie ist er ausgerechnet auf dich gekommen? Auf einen Menschen, der in London lebt, also fern ab von seiner Wohnstatt und seinem Reich. Wäre es für ihn nicht günstiger gewesen, er hätte sich an eine Person gewandt, die hier lebt? Warum nahm er dich, wenn wir davon ausgehen, daß der Anrufer mit dem Herrn der Legenden identisch ist?«
»Ja - warum…?« murmelte ich und ließ mir bewußt viel Zeit.
»Sag es John!«
Ich hob die Schultern.
»Warum vertraust du mir nicht? Ich habe dir auch vertraut, als ich dich hier aufnahm. Ich habe gespürt, daß du anders bist als normale Menschen. So etwas kann man lernen. Ich habe lange genug in dieser Natur ge- und überlebt. Aber ich weiß nicht, was hinter dir steckt. Ich spürte es nur, doch eine Erklärung kann ich dir nicht geben. Das müßtest du dann schon tun.«
»Was soll ich sagen…?«
»Wer bist du?«
»Ein Mensch.«
»Das sehe ich.«
Ich nickte ihm zu. »Sagen wir so, Cal. Ich bin jemand, der sich mit diesen Phänomenen seit Jahren schon beschäftigt. Ich habe sie zu meinem Beruf gemacht. Ich weiß, daß wir in einer Zeit leben, wo die Wissenschaft nicht mehr alle Fragen beantworten kann. Wo die Physik allmählich an die Grenzen gerät und denkende Geister allmählich wieder die Metaphysik akzeptieren müssen, um Antworten auf grundsätzliche Fragen zu erhalten. Auch mit Hilfe der Mathematik und der Physik.«
»Stimmt. Nur hat das nichts mit uns zu tun.«
»Es ist ein Teil des Ganzen.«
»Du auch?«
»Ja - wie du.«
»Bist du Parapsychologe, Historiker, Philosoph und anderes alles in einem?«
»Nein.«
Er saß da, als wollte er jeden Augenblick von seiner harten Sitzfläche in die Höhe schnellen. »Was dann, John? Was bist du dann?«
»Polizist.«
Ich hatte bewußt auf diese Antwort hingearbeitet und schaute zu, wie Cal zusammenzuckte. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Möglicherweise hatte er von der Polizei auch keine zu große Meinung gehabt, denn er schaute mich mit Augen an, in denen der Vorwurf oder die Antwort »Das darf doch nicht wahr sein!« zu lesen waren.
»Stimmt das?«
»Ja.«
Cal legte seine Hände flach auf den Tisch. »Polizist«, wiederholte er, »ich habe also einen Polizisten in mein Haus geholt. Das ist wirklich ein Hammer. Darauf wäre ich nie gekommen. Ich hätte eher daran gedacht, daß sich hier Aussteiger herumtreiben, aber daß mir ein Polizist über den Weg laufen würde…« Er schüttelte den Kopf. »Jetzt sag mir noch, für wen du arbeitest. Da gibt es bekanntlich ja auch gewisse Unterschiede, denke ich.«
»Scotland Yard!«
Calvin Crichton schwieg. Sein Gesicht blieb unbeweglich. Die Hände griffen nach der Pfeife.
»Kann es sein, daß es auch bei euch einige Unterschiede gibt, was die Aufgaben angeht?«
Ich lächelte, denn ich hatte sehr wohl herausgehört, daß er sich und mir eine goldene Brücke bauen wollte, da seine Meinung von der Polizei nicht eben hoch war. »Es gibt Unterschiede, Cal, da kann ich dich beruhigen. Ich arbeite nicht in einem normalen Job. Meine Freunde nennen mich schlicht einen Geisterjäger.«
»Einen was?«
»Geisterjäger.«
»Aha.«
»Verstanden?«
»Nein.«
Ich erklärte es ihm, und er hörte sehr genau zu. Ich hatte auch Vertrauen zu Cal gefaßt und ging einfach davon aus, daß er meine Arbeit verstand, wenn er seinen Geist wirklich so weit geöffnet hatte, um die Natur zu begreifen.
Ich ließ mir mit meinen Ausführungen Zeit, warf zwischendurch etwas von meinem Wissen ein, und das mehrmalige Nicken des Mannes zeigte mir, wie sehr er einverstanden war.
»Ja«, sagte er, »das ist natürlich etwas anderes. Etwas ganz anderes, denke ich.«
»Das freut mich.«
»Dann bist du also der richtige Mann, um diesen Fall hier
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