0848 - Der alte Mann verfluchte mich
Eingang zu einer Höhle, in deren Innern sich die Finsternis staute.
Bevor wir hineingingen, blieb Nummer drei stehen. Wieder schaute er grinsend zu mir hoch. »Jetzt sind wir da.« Er streckte mir die Hände entgegen. »Du kannst mir die Ringe wieder abnehmen. Ich mag es nicht, wenn ich als Gefangener vor meinen Meister trete.«
Ich tat ihm den Gefallen, denn gefährlich konnte er mir unbewaffnet nicht werden. Er schaute zu, wie ich den schmalen Schlüssel in den Schlitz steckte. Eine Drehung reichte, die Ringe klappten auf. Ich zog sie ab und hängte sie an meinen Gürtel. »Zufrieden?« fragte ich ihn.
Er lächelte und nickte. Dann drehte er sich um, und ich hörte, wie er tief ausatmete. So wie jemand, der endlich nach langem Suchen das Ziel seiner Wünsche gefunden hatte.
Er hätte schneller gehen können, aber er ließ sich Zeit. Er winkte mir zu, ihm zu folgen.
Ich tat es, und es war ganz leicht, denn es gab keinen, der mich aufhielt. Schon oft war ich in Felshöhlen hineingegangen, so etwas war mir also nicht fremd, aber ich hatte noch nie oder selten eine Veränderung gespürt wie hier.
Befand ich mich überhaupt in einer normalen Höhle? Oder hatte ich die Schwelle zu einer anderen Welt überschritten? Ich suchte nach einem Vergleich, und mir kam einer in den Sinn. Ich schien in eine ins Unendliche führende Röhre geraten zu sein, einen Tunnel, der in die Ewigkeit hineinragte und die menschlichen Gesetze ausschloß.
Ein Märchen-, ein Wundertunnel tat sich vor mir auf, zwischen dessen Wänden eine stickige, beinahe greifbare pechschwarze Finsternis lauerte. Ohne Licht war ich hilflos, und meine Hand rutschte bereits in die Tasche, um die Lampe hervorzuholen.
Dagegen hatte Nummer drei etwas.
»Nein, kein Licht! Wir brauchen es nicht!«
Er schaute mich an. Ich blickte nach unten, und ich sah das Funkeln in seinen Augen. Sie hatten einen anderen Ausdruck bekommen und erinnerten mich an das Schimmern von Diamanten. Er konnte sicherlich im Finstern ebenso gut sehen wie eine Katze.
»Warum nicht?« Ich hatte geflüstert, dennoch war ein Hall entstanden, der meine Stimme in die Tiefe des Tunnels trug.
»Der Meister will es nicht.«
»Ach ja! Kann der Meister im Dunkeln sehen?«
»Er kann alles.«
Die Antwort hörte sich so an, als gäbe es nicht den geringsten Zweifel daran.
Ich wollte mich hier nicht gegen die seltsamen Regeln stellen und stimmte zu.
»Ich werde dich führen.«
Nummer drei suchte nicht nach meiner Hand. Es reichte ihm schon, daß er den Stoff meiner Hose anfassen konnte. Er zog mich nach vorn, wo die lichtlose Schwärze lauerte, als wäre sie ein Rachen, der alles schlucken und fressen wollte.
Ich konnte nicht einmal sehen, ob die Oberfläche des Gangs glatt, rauh oder steinig war. Vorsichtshalber hob ich die Füße immer hoch. Ich hatte den Eindruck, ins Nichts zu gleiten, wo es kein Geländer und keine Mauer gab, das mich auffing.
Märchen - Legenden…
Es gab also einen Meister, der über sie wachte, der als Herr dieser Dinge angesehen wurde, und ich fragte mich, ob es der gleiche war, den ich vor meiner kurzen Bewußtlosigkeit gesehen hatte. Wenn ja, wie würde er mir dann gegenübertreten?
Als Feind, als Freund?
Am liebsten wäre mir eine Neutralität gewesen, da hätte ich mich am besten arrangieren können.
Der Tunnel, die Tiefe, der Berg und die Finsternis hatten uns geschluckt. So wie hier mußte es auch in einem großen Grab sein, nur bekam ich genügend Luft, und sie war nicht einmal schlecht. Sie strömte kühl und erfrischend in meine Lungen, als wollte sie mir zusätzlich Kraft geben.
Das Zupfen an meiner Kleidung blieb. Ich mußte also noch tiefer in den Tunnel gehen.
Plötzlich hörte es auf. Und ich blieb sofort stehen. Auch der Zwerg ging nicht weiter. Ich sah seine Augen, die wie zwei Lichter über dem Boden schwebten.
»Wir sind da!«
»Ich sehe nichts.«
»Keine Sorge, du brauchst dich nur auf den Meister zu verlassen. Er weiß, was gut ist.«
Nach diesen Worten verschwand der Zwerg. Zwar versuchte ich, mit dem ausgestreckten Arm nach ihm zu greifen, aber ich faßte ins Leere und hatte den Eindruck, als würde kalter Nebel zwischen meinen Fingern einhergleiten.
Jetzt war ich allein.
Hatte ich einen Fehler begangen? Hätte ich diesem Gnom doch nicht vertrauen sollen?
Abwarten.
Die Sekunden verstrichen quälend. Wer hier herrschte, konnte sich Zeit lassen, falls so etwas für ihn überhaupt existierte. Es war durchaus möglich, daß ich mit
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