0848 - Der alte Mann verfluchte mich
du tot. Willst du das? Willst du so leiden wie mein Hund? Ich würde es dir gönnen. Du bist eine Kreatur, die es nicht wert ist, hier zu leben, du bist…«
»Laß ihn, Cal.«
Der Schäfer zog seine Hand wieder zurück. Er atmete schwer. »Wenn er sich verstockt anstellt, mache ich ihn fertig, das schwöre ich dir, John.«
Ich schaute unseren Gefangenen an. »Er wird vernünftig sein, denke ich mal.«
Schweigen.
»Gut, noch mal. Ich möchte, daß du mir einen Gefallen tust, denn du bist mir etwas schuldig. Ich weiß nicht, wer von euch mich angegriffen hat, aber ich werde es herausbekommen. Und das ist nicht alles, was ich wissen will. Ich will euren Herrn und Meister kennenlernen, den Herrn der Legenden, der sicherlich nur für euch da ist. Ihn möchte ich sehen, und ich will, daß du mich zu ihm führst. Hast du verstanden? Ich will es!«
Er starrte mich an. Seine Augen wirkten wieder übergroß. Dann nickte er.
»Verstanden?« hakte ich nach.
»Ja!«
»Dann los!«
Das schien ihm nicht zu passen. Damit hatte er wohl auch nicht gerechnet, denn auf der Bank drückte er sich zurück, als suchte er nach einem Fluchtweg oder zumindest seiner Machete, um sich wehren zu können. Bei mir reichte ein Griff aus, da hatte ich ihn am Kragen gepackt, drehte ihn um und zerrte ihn von der Bank.
Ich stellte ihn hart auf die Füße und hielt ihn dabei trotzdem noch fest. Sein Gesicht zuckte. Er versuchte, mir den Protest ins Gesicht zu schreien. Möglicherweise war es mein Blick, der ihn verstummen ließ. Ich zerrte ihn von der Bank.
Cal Crichton schaute uns beiden zu. Er war aufgeregt, schabte mit den Sohlen und leckte seine Lippen. »Willst du es wirklich tun?« fragte er mich.
»Natürlich.«
»Und dann?«
Ich lächelte ihm zu. »Vergiß bitte nicht, daß ich hier bin, um einen Fall zu lösen.«
»Ja, du bist Polizist.«
»So ähnlich.«
»Und ich gehe einfach davon aus, daß unser Freund hier weiß, wo sich der Herr der Legenden aufhält. Einer wie er muß einfach zu ihm gehören.«
Cal nickte. »Scheint mir auch so. Aber willst du ihn nicht fesseln?«
Ich war schon dabei, meine Handschellen hervorzuholen. Die Arme des Kleinen waren dick genug.
Da konnte ich die Ringe schließen, ohne daß er mit den Händen hindurchrutschte.
Das ließ er widerstandslos mit sich geschehen. Ich fragte ihn nach seinem Namen.
Er hob nur die Schultern.
»Hast du keinen?«
»Ich bin Nummer drei.«
»Aha. Und wie viele seid ihr?«
»Rate mal.«
»Etwa sieben?«
Sein breites Grinsen zeigte mir, daß ich genau ins Schwarze getroffen hatte.
Sieben Zwerge. Fehlte nur Schneewittchen. Aber Schneewittchen hieß hier nicht Schneewittchen, sie war die Tochter des Zacharias und war tot. Also stimmte das Märchen nicht.
Ich war zwar nicht durcheinander, aber was hier genau ablief, wußte ich leider nicht. Jedenfalls konnte ich mich noch auf einige Überraschungen gefaßt machen.
Als ich einen letzten Blick auf Rocky warf, sah ich, daß er die Augen geschlossen hielt und eingeschlafen war. Cal hatte mein Hinschauen bemerkt und lächelte. »Er wird sich wieder gesund schlafen. Ich habe ihm eine von mir entwickelte Mixtur zu trinken gegeben. Ich werde ihn gleich auf seine Decke legen. Begleiten kann ich dich nicht. Du weißt, daß mir Rocky wichtig ist. Ich muß bei ihm bleiben. Es können immer wieder Komplikationen auftreten.«
»Das verstehe ich, Cal.«
Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Viel Glück wünsche ich dir, mein Freund, viel Glück, mein Freund.«
»Danke.«
Zusammen mit Nummer drei verließ ich die Hütte, und ich fragte mich, was mich erwarten würde.
Himmel oder Hölle!
Ich tippte eher auf die zweite Möglichkeit.
***
Der Zwerg trottete neben mir her wie ein kleines Kind. Er traf keine Anstalten, sich zu wehren, er unternahm auch keinen Versuch zur Flucht, er blieb einfach bei mir, als gehörten wir zusammen.
Ich hatte ihm die Handgelenke auf den Rücken gefesselt. Deshalb sah sein Gehen etwas plump aus, besonders dann, wenn das Gelände uneben wurde, denn wir hatten die Straße bereits überquert.
Ich hatte ihn noch gefragt, ob wir mit dem Auto fahren sollten. Der Zwerg hatte nur den Kopf geschüttelt und war schweigend weitergegangen. Er hielt sich an meiner rechten Seite auf. Den Kopf hatte er angehoben. Bei jedem Schritt pendelte er vor und zurück. Im Verhältnis zu seinem Körper war der Schädel zu groß, manchmal hatte es den Anschein, als würde er jeden Augenblick nach vorn kippen und
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