0848 - Die letzte Bastion
daß er anderweitige Beschäftigung findet...!"
6.
Als der Summer ertönte, sah Roi Danton unwillig auf. Er befand sich in seinem Arbeitsraum, tief unter der Oberfläche des Mondes. Vor ihm auf dem Tisch lagen die gedruckten Auswertungen NATHANs.
Danton war damit beschäftigt, sie auszuwerten und einen Überblick zu gewinnen. Er warf einen Blick auf die Uhr. Sie zeigte 16:00. Er erinnerte sich, daß er für diese Zeit eine Verabredung gehabt hatte.
Aber er wußte nicht mehr, mit wem.
Er drückte den Türöffner. Ein junger Mann trat ein.
Seine Bewegungen waren linkisch. Der merkwürdige Blick seiner braunen Augen verriet, daß er kurzsichtig war. Er war von mittlerer Größe, weder hager noch korpulent, trug die übliche Arbeitsmontur der Wissenschaftler und hatte kurzgeschnittenes, braunes Haar.
Das Gesicht war glatt rasiert. Danton erinnerte sich, den Mann ein paar Mal gesehen zu haben. Er war mit der SOL gekommen - einer der wenigen Solgeborenen, die es vorgezogen hatten, das Schiff zu verlassen und auf der Erde zu bleiben.
Trotzdem erinnerte sich Roi Danton nicht an seinen Namen.
„Ich bin Payne Hamiller", sagte der junge Mann und blieb zögernd unter der Tür stehen. „Ich glaube nicht, daß Sie schon von mir gehört haben, aber..."
Roi Danton stand auf und machte eine einladende Geste.
„Kommen Sie herein und machen Sie es sich bequem."
Hamiller trug einen Stapel Druckfolien mit sich.
Er suchte vergebens nach einem Platz auf der großen Tischplatte, an dem er sie deponieren konnte.
Danton half ihm aus der Verlegenheit, indem er seine Unterlagen beiseite räumte.
„Danke", sagte Hamiller.
„Sie haben eine Beobachtung gemacht?" fragte Danton, um die Unterhaltung in Gang zu bringen.
Hamiller winkte ab.
„Beobachtungen haben wir alle gemacht", sagte er. „Sie wissen davon. Im Innern der Sonne Medaillon spielen sich merkwürdige Vorgänge ab. Der thermonukleare Prozeß ist gestört."
„Das ist richtig", bestätigte Danton. „Man befürchtet, daß Medaillon zu dem früheren Zustand zurückkehren könnte, in dem das Strahlungsspektrum der Sonne im hyperenergetischen Bereich eine Defizienz aufwies, die für das Entstehen der Aphilie verantwortlich war."
Payne Hamiller schüttelte den Kopf.
„Das ist nicht der Fall", sagte er.
„Wie bitte...?"
Roi Danton war perplex. Hatte dieser junge Mann soeben allen Ernstes behauptet, die fähigsten Wissenschaftler der Erde zerbrächen sich umsonst die Köpfe?
„Sie meinen ... Sie wissen ... daß die Veränderung der Sonne nichts mit der Aphilie zu tun hat?" fragte Danton stockend.
„Das meine ich in der Tat", antwortete Hamiller und begann, den Stapel von Druckfolien vor Danton auszubreiten.
„Ich habe die Vorgänge im Innern Medaillons analysiert. Ich habe ein Modell entwickelt und die Vorgänge anhand dieses Modells formelmäßig erfaßt. Dabei stößt man auf ein paar Schwierigkeiten, die sich jedoch beseitigen lassen.
Und schließlich kommt man zu einem höchst erstaunlichen Resultat."
Welchem?" fragte Danton.
„Medaillon ist auf dem Weg, sich in ein black hole zu verwandeln!"
Roi Danton sagte nichts. Er starrte sein Gegenüber an. Payne Hamiller erkannte, was er angerichtet hatte.
Mit einem fahrigen Lächeln blätterte er ein zweites Mal durch seine Unterlagen, fand das Gesuchte und schob es Danton hin.
„Bevor Sie meine Hypothese ablehnen, sehen Sie sich bitte das hier an", schlug er vor.
Roi Danton warf einen Blick auf die drei Blätter, die Payne Hamiller ihm zugeschoben hatte. Sie enthielten Formeln, von einem Textverarbeiter säuberlich aufbereitet, so daß sie leicht zu lesen waren.
Die Materie war Danton vertraut.
Es ging um astrophysikalische Zusammenhänge, um Strahlungs- und Druckgleichgewichte in den tiefen Zonen einer Sternatmosphäre.
„Das sind die Standardgleichungen der konventionellen Astrophysik", sagte er einigermaßen verwirrt.
„Wollen Sie damit..."
Payne Hamiller unterbrach ihn mit einer aufgeregten Geste.
„Das sind nur die Ansätze", widersprach er. „Wissen Sie, wie die Gleichungen gelöst werden?"
„Numerisch", antwortete Roi Danton ein wenig irritiert, weil er das Gefühl hatte, Hamiller wolle ihn auf die Probe stellen.
„Mit Hilfe eines Computers."
„Richtig!" bestätigte der junge Wissenschaftler, dessen Augen plötzlich in einem eigentümlichen Glanz zu strahlen begannen. „Und wissen Sie auch, warum?"
„Nein", log Danton und benahm sich wie ein Verschwörer, der in
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