0849 - Schattengesicht
erreichen.
Suko wartete in der Küche, wo er ein Ei in die Pfanne geschlagen hatte. Ich wollte nichts essen, mein Freund ließ nicht locker, und da er auch Kaffee gekocht hatte, ließ ich mich dazu überreden, den Magen zu füllen.
»Wir nehmen meinen Wagen«, sagte er.
»Ist gut.«
»Hast du etwas dagegen, wenn jemand mitfährt?«
Ich schielte ihn an. »Denkst du da an eine Frau namens Shao?«
»Genau.«
»Meinetwegen. Ich hoffe nur, daß es nicht zu gefährlich wird. Wir dürfen diesen Herrn der Legenden nicht unterschätzen. Zudem dürfen wir ferner nicht vergessen, daß er nicht allein ist. Er hat diese kleinen, bösen Bestien, die Zwerge an seiner Seite, und sie gehen über Leichen. Die hacken mit ihren Macheten alles kurz und klein.« Ich schluckte und sprach weiter. »Dabei glaube ich daran, daß sie nicht aus Fleisch und Blut bestehen, sondern aus Stein und sich trotzdem noch bewegen können. Das klingt zwar verrückt, aber ich habe schließlich mit ansehen können, wie einer dieser Bestien verging.«
»Alles klar.« Suko grinste. »Du kommst allein zurecht?«
»Warum denn nicht?«
»In deinem Alter, John.«
»Zieh ja Leine«, sagte ich grinsend.
»Sonst wird dich der große Zampano fressen.«
»Ich bin unverdaulich. Du schellst?«
»Geht in Ordnung.«
Suko winkte und verschwand.
Ich fühlte mich gut. Sogar so gut, daß ich mich auf einen erneuten Besuch beim Herrn der Legenden freute…
Das Wetter hatte sich glücklicherweise gehalten. Der Motorway war auch entsprechend leer, und Suko hatte seinen BMW endlich wieder scheuchen können.
Das Fahrzeug hatte er in einem Preisausschreiben gewonnen, er hegte und pflegte es wie damals die Harley, aber die Maschine vermißte er nur bei schönem Wetter, wie er mir selbst erklärt hatte.
Shao hatte es sich im Fond bequem gemacht und schlief sehr viel. Wir unterhielten uns deshalb nur leise, und als mir Suko den Vorschlag machte, die Augen zu schließen, kam ich dem gern nach.
Ich schlief wunderbar und erwachte erst, als wir zum Tanken gestoppt hatten. Ich stieg ebenfalls aus dem Wagen, um mir die Beine zu vertreten. Shao stand auch draußen. Sie trug eine Hose, einen Pullover und darüber einen senffarbenen Strickmantel. Ihr Haar hatte sie hochgebunden, sonst hätte es der Wind noch fortgeweht, denn er knallte uns ziemlich stürmisch an.
»Wieder wach, John?«
Ich rieb meine Augen. »Einigermaßen.«
Sie lächelte. »Und deine Hand?«
»Schau selbst hin.« Ich hielt sie ihr entgegen.
Shao betrachtete sie genau. »Ob du es mir glauben willst oder nicht, aber du hast trotz allem noch Glück gehabt, John.«
»Inwiefern?«
»Will ich dir sagen. Ich kenne es aus meiner Heimat. Böse Geister und Dämonen, die sehr mächtig sind und durch irgendwelche Umstände aus dem Geisterreich entflohen sind, suchen immer wieder nach Kraftquellen. Sie finden Menschen, setzen sich fest und saugen sie praktisch aus. Der Mensch wird schwach, und bei ihnen tritt das Gegenteil ein. Die Geister stärken sich, sie nehmen zu. Sie sind in der Lage, durch die Seele der Menschen mächtig zu werden, und dabei blähen sie sich förmlich auf.«
Aus ihren dunklen Augen blickte sie mich fragend an. »Hast du nichts davon gespürt, John?«
»Nein, was denn?«
»Das Verlassen der Kraft.«
»Überhaupt nicht. Ich fühle mich gut, abgesehen von der Müdigkeit, aber die schiebe ich anderen Dingen in die Schuhe.«
»Es kann schon der erste Schritt gewesen sein.«
»Das will ich nicht glauben.«
»Die Schattengesichter sind stark, und sie befinden sich immer auf der Suche nach neuen Menschen. Ich wundere mich nur darüber, daß hier in dieser Kultur so etwas geschehen ist. Das macht mich nachdenklich, denn bisher bin ich davon ausgegangen, daß sich diese Art von Raub nur auf den asiatischen Raum begrenzt.« Sie hob die Schultern. »Was will man aber machen? Die Welt der Geister ist eben international geworden. Jedenfalls muß das Gesicht zerstört werden, denn es wird immer nach einer Chance suchen, dich zu schwächen.«
»Das ist mir klar, Shao. Leider war das Gesicht bisher immer schneller als ich. Auch bei seinem letzten Erscheinen bin ich nicht dazu gekommen, das Kreuz zu aktivieren, aber wenn ich ehrlich sein soll, dann muß ich sagen, daß ich es auch gar nicht so recht wollte, komischerweise. Ich habe das Gefühl gehabt, den Kampf annehmen zu müssen. Ja, ich wollte ihn annehmen, ich wollte es dieser verfluchten Magie zeigen und mich nicht unterdrücken
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