0849 - Schattengesicht
alles zu. Er war in seinem Haß unberechenbar.
Reiß dich zusammen! machte ich mir selbst Mut. Reiß dich endlich zusammen. Jammere hier nicht herum wie ein kleiner Junge. Du bist ein erwachsener Mensch. Du hast alles durchgemacht, was es durchzumachen gibt. Nur nicht aufgeben!
Ich bekam den Arm hoch, auch wenn es mich eine unwahrscheinliche Mühe kostete. Den Ellbogen benutzte ich als Stütze. Als der Arm aufrecht stand, versuchte ich es mit einer Drehung, denn alles ging von der Handfläche aus.
Ich fürchtete mich davor, sie anzuschauen. Zwar wußte ich nicht genau, was mich erwartete, es konnte schlimm werden, denn das Brennen hatte kaum nachgelassen.
Mühsam drehte ich die Hand, und ebenso mühsam wandte ich auch den Kopf.
Der Schrei blieb in meiner Kehle stecken. Es wäre ein Schrei der Wut gewesen, denn diesmal sah ich das verdammte Gesicht überdeutlich. Aber auch anders als sonst, denn es zeigte eine tiefrote, blutige Farbe, als wäre es mit dem Feuer der Hölle gefüllt.
Eine Fratze, dämonisch und grausam, mit Augen, die ebenfalls rot glühten, und einem Maul, das sich verzog, bevor es die ersten Worte ausstieß.
»Du hast den Kampf haben wollen, Sinclair. Du hast ihn haben wollen, und ich habe ihn angenommen…«
»Gib auf, Zacharias!« keuchte ich die Fratze an. »Gib auf, denn du kannst nicht gewinnen!«
Er lachte.
Es war ein schreckliches, ein lautloses Lachen, und trotzdem geisterte es mir als böses Echo durch die Ohren. Ich wollte mich nicht fertigmachen lassen.
Den rechten Arm hatte ich angehoben und führte die Hand meinem Nacken zu, wo die kleine Kette hing. Ich brauchte nur an ihr zu rupfen, dann würde das Kreuz im Freien liegen. Dieser Alptraum hatte für eine Änderung meines Plans gesorgt. Ich war fest entschlossen, in dieser Nacht aufs Ganze zu gehen und das zu zerstören, was sich auf meiner Handfläche zeigte.
Dazu kam ich nicht mehr.
Noch einmal schrie ich auf, weil sich ein Feuerstoß in meine Handfläche brannte, als sollten Haut, Muskeln, Fleisch und Sehnen zerrissen werden.
Wenig später konnte ich aufatmen!
Es gab keine Fratze mehr. Ich schaute auf meine normale Handfläche, wie schon so oft.
Entspannen. Die Luft rauslassen. Froh sein, daß alles glattgegangen war.
Ich wollte dies tun, ich wollte mich auch freuen, aber ich war zu erschöpft.
Diesmal erwischte mich der richtige Schlaf, der sogar die Bezeichnung erholsam verdiente…
***
Mitten in der Nacht schwamm ein Gesicht vor mir. Jemand hielt meine Schultern umklammert und schüttelte mich durch. Ich brauchte diesmal Zeit, um mich zurechtzufinden, und als ich die Augen ganz aufschlug, hörte ich Sukos Stimme.
»Ja, so ergeht es wohl jedem, wenn man älter wird. Erst große Klappe haben und dann einfach einschlafen.«
»Wie spät ist es denn?« murmelte ich.
»Zu spät, um pünktlich abfahren zu können.«
Ich setzte mich auf. Noch immer ziemlich benommen, und mein erster Blick galt der Hand.
Es war nichts mehr zu sehen. Kein Rest, auch keine Veränderung der Haut. Dabei hatte sie sich in der Nacht angefühlt, als wäre mir die Hälfte der Hand einfach weggebrannt worden.
Nun wäre ich mir lächerlich vorgekommen, hätte ich Suko von diesem Erlebnis berichtet.
Ich tat es trotzdem.
Mein Freund blieb stumm. Er schaute mich ernst an. »Jedenfalls solltest du damit nicht spaßen«, sagte er.
»Das tue ich auch nicht.«
Er räusperte sich. »Ich habe nach deinem Besuch noch mit Shao über den Fall diskutiert. Abgesehen davon, daß du keine angenehme Nacht gehabt hast, dürfen wir diesen Zauber auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Shao erinnerte sich an Fälle aus unserer Heimat, wo es zu ähnlichen Vorkommnissen kam. Da haben Menschen Gesichter in Teetassen gesehen, in Fenstern, in Spiegeln, und diese Menschen sind völlig verändert worden. Das reichte bis hin zum Wahnsinn, und die letzte Konsequenz war leider der Tod.«
»Brachte man sie um?«
»Ich denke schon. Außerdem muß ich dir den Vorwurf machen, daß du nicht zu mir gekommen bist. Gemeinsam hätten wir diesen verfluchten Zauber schon bekämpfen können.«
»Es ging nicht. Ihr wart nicht da.«
»Stimmt leider.«
Ich ging in die Dusche. Die ersten Schritte fielen mir sehr schwer, aber dann klappte es besser. Es tat mir gut, in der Kabine zu stehen und die heißen Strahlen auf meinem Körper zu spüren. Ich seifte mich kräftig ein, auch meine Hand, aber die Reinigung, die ich mir vorgestellt hatte, würde ich so nicht
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