0849 - Sprung über den Abgrund
und Frauen der Patrouille behielten ihre Gedanken für sich.
Walik Kauk lag lange wach. Er hatte die Hände unter dem Kopf verschränkt und starrte mit offenen Augen in die undurchdringliche Finsternis des kleinen Schlafgemachs. Normalerweise wurde er davon müde. Aber in dieser Nacht floh ihn die Müdigkeit.
Neben ihm bewegte sich Marboo voller Unruhe.
„Bist du wach?" fragte er halblaut.
„Wie am helllichten Tag", antwortete sie.
„Augustus kann nicht alleine hier bleiben", sagte Walik.
Marboo brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, wovon er sprach.
„Warum?" fragte sie.
„Er ist unzuverlässig. Er spricht seit neuestem nicht mehr vom örtlichen Kontrollelement."
Marboo drehte sich auf die Seite. Walik spürte, wie sie ihn durch die Dunkelheit ansah.
„Ich dachte, das wäre gut", sagte sie verwundert. „Die Sache mit dem Kontrollelement - das war doch eine Art positronischer Geisteskrankheit, nicht wahr?"
„Genau. Augustus war verrückt. Aber er war auf planmäßige Art und Weise verrückt. Wenn man ihn kannte, wußte man genau, welche Art von Aufgaben man ihm nicht übertragen durfte, weil er sie unweigerlich verbocken würde.
Aber jetzt? Er glaubt nicht mehr ans örtliche Kontrollelement. Wer weiß, was für Unsinn er als nächstes anstellen wird!"
„Also gut. Wer soll außer Augustus hier bleiben?"
„Ich", antwortete Walik.
„Du...?"
Sie schwiegen beide eine Zeitlang. Schließlich sagte Marboo: „So, wie ich dich kenne, gibt es keine Möglichkeit, dich umzustimmen."
„Das ist richtig", bestätigte Walik.
„Ich möchte bei dir bleiben!"
„Das geht nicht. Das Risiko muß auf ein Minimum beschränkt bleiben."
„Aber warum ausgerechnet du? Warum nicht Sante oder Jan?
Sie sind beide ungebunden!"
„Ist dir schon aufgefallen", fragte Walik sarkastisch, „daß keiner von beiden sich freiwillig gemeldet hat?
Außerdem geben Augustus und ich ein wirksames Team ab."
Marboo seufzte.
„Sag mir, daß du es nicht deswegen tust, weil du meiner überdrüssig bist", bat sie.
Statt zu antworten, küßte er sie.
„Versprich mir, daß du auf dich acht gibst!"
„Ich verspreche es", sagte Walik. Irgendwie, fand er, hatte Marboo zu rasch nachgegeben. Aber er kam nicht mehr dazu, diese Frage näher zu analysieren. Der Schlaf kam ihm zuvor.
*
„Einverstanden", erklärte Jentho Kanthall nach reiflicher Überlegung. „Du bleibst mit Augustus zusammen hier. Wir halten ständigen Funkkontakt. Payne Hamiller hat Terra unter ständiger Beobachtung. Das und das Warnsystem sollten dafür sorgen, daß ihr euch aller ernsten Gefahr fernhalten könnt."
Der Auszug der Terra-Patrouille fand eine Woche später statt. In der Zwischenzeit waren die Störungen, die von der zerfallenden Sonne Medaillon ausgingen, intensiver und häufiger geworden.
Ein G-Wirbel hatte die Stadt Ulan-Bator, 750km nordnordöstlich von Terrania City gelegen, dem Erdboden gleichgemacht.
Jentho Kanthall hatte Claus Bosketch und ein paar seiner Leute an den Ort der Verwüstung geflogen.
Aber anstatt beeindruckt zu sein, hatte Bosketch nur abfällig gelacht.
„War allmählich Zeit, daß jemand mit dem alten Kuhdorf aufräumte! Jetzt ist endlich Platz für neue Gebäude!"
„Wenn du mit deinen Leuten in Ulan Bator anstatt in Terrania City gelebt hättest, wärt ihr jetzt alle hin!"
versuchte Kanthall, ihm klarzumachen.
„Wir wohnen aber nicht hier", antwortete Bosketch, und Jentho Kanthall kam zu dem Schluß, daß er gegen diese Art überzwercher Logik nichts werde ausrichten können.
Waliks Abschied von Marboo war kurz. Marboo sah so aus, als wolle sie zu weinen anfangen. Walik strich ihr übers Haar und tröstete sie: „Nur noch ein paar Wochen, und wir haben alles überstanden."
Er grinste. „Gib auf dich acht und hüte dich vor fremden Männern!"
Marboo sah ihn aus großen Augen an. Sie sprach kein Wort. Schließlich wandte sie sich um und schritt auf das Schott zu, hinter dem der Transmitterraum lag.
Auf Walik wartete eine Menge Arbeit. Bevor Medaillon sich endgültig in ein „black hole" verwandelte, würde es auf der Erde finster und kalt werden. Zwar war NATHAN am Werk, der mit beträchtlichem Aufwand das terranische Klima zu stabilisieren suchte. Aber gegen die Einflüsse, die von einer sterbenden Sonne ausgingen, würde auch er schließlich machtlos sein.
Unterkünfte mußten vorbereitet werden. Wenn draußen alles zu Eis erstarrte und die Tage nicht mehr heller waren als die Nächte, dann
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