085 - Flitterwochen mit dem Tod
nicht aus den Augen zu lassen. Er tastete sich bis zum Tor vor, spähte, leise hustend, - der Staub und der Gestank setzten ihm zu - durch die Ritzen, aber niemand stand draußen. So riß er das uralte Tor auf und huschte hinaus. Er entdeckte die schlanke Gestalt Gunnarssons gerade noch am Ende der Straße. Von dem Grünschuppigen hingegen war nichts mehr zu sehen.
Der Dämonenkiller folgte dem goldhaarigen Fremden. Magnus schien München hervorragend zu kennen und besonders gut alle alten Straßen, die Ruinen und die unbewohnten Keller, die dreckigen Hinterhöfe, abbruchreifen Häuser und die mit Gerümpel übersäten kleinen Gärten.
Es war fast halb elf Uhr, als Magnus wieder in einem Hausflur verschwand. Das Haus, dreistöckig und unglaublich verwahrlost, war keineswegs unbewohnt. Aus sämtlichen weitgeöffneten Fenstern dröhnte Musik in die Nacht hinaus. Aufgeregte Stimmen kreischten. Es roch betäubend nach Knoblauch.
Also keine Vampire, dachte Dorian und hob die Schultern.
Gunnarsson, der an allen anderen Orten außerordentlich seriös und zurückhaltend wirkte, schien sich ausgerechnet in dieser Stadt seinen geheimsten Lastern hinzugeben.
Vorsichtig folgte Dorian Hunter dem Isländer durch einen stickigen Hausflur, eine Treppe hinunter und auf das Gelände eines unglaublich verwilderten Hinterhofes. Dort stand ein windschiefer, mit Blechplatten und Dachpappe gedeckter Schuppen. In diesem baufälligen Abstellraum verschwand Magnus Gunnarsson.
Der Dämonenkiller bereitete sich auf eine lange Nacht vor. Aber noch immer wußte er nicht, was Magnus mit den wieder zu kurzem und fragwürdigem Leben erweckten Leichen anfangen wollte.
Das Hotel schien jetzt - neun Uhr dreißig abends - so gut wie voll zu sein. Coco hatte im Restaurant neben dem Dach-Swimmingpool eine Kleinigkeit gegessen und fuhr zur Bar hinunter. Sie wollte einen Drink nehmen und beobachten. Magnus war nicht zurückgekommen; sie hatte ihn jedenfalls noch nicht gesehen.
Dr. Kern hatte ihr gesagt, daß die Mehrzahl der Transamorosa-Kunden hier abgestiegen war. Was ihren eigenen Partner betraf, so wußte Coco genau, daß er ein Dämon war.
Natürlich würde sie das Dr. Kern nicht sagen, denn er hatte keine Ahnung, für welche Zwecke sein Institut ausgenutzt worden war. Sie beschloß, eine bestimmte Rolle zu spielen, die ihr die meisten Möglichkeiten bot: das in seiner Eitelkeit gekränkte Weibchen, das versuchte, durch besonders kapriziöses Verhalten aufzufallen.
Sie blieb in der Bar sitzen, ließ sich anschauen und betrachtete das Kommen und Gehen von Gästen, deren Freunden und zufälligen Besuchern.
Übermorgen abend - dachte Coco voll gespannter Erwartung. Sie war gewarnt. Aber nicht die anderen, die als Opfer ausersehen und ausgesucht waren. Sie schätzte, daß rund die Hälfte der vierzig Personen keine Menschen waren, sondern Vampire und Dämonen. War auch Magnus Gunnarsson einer von ihnen?
Coco würde einen Dämonen erkennen, wenn er in ihrer Nähe vorbeikam; nicht nur das: sie würde es auch spüren.
Sie saß ruhig da und ließ ihre Blicke wandern. Lange Zeit, mindestens eine Stunde lang, entdeckte sie nichts - nur normale Menschen, reiche alte Männer und hübsche, ein wenig ordinäre Mädchen; ältere Frauen und junge Männer, Liebespärchen und Hotelpersonal. Das Bild war völlig normal. Die Stunde der Dämonen war noch nicht angebrochen, wenigstens nicht hier im Hotel.
Gerade wollte sich Coco einen neuen Drink bestellen, als sie ein auffälliges Paar bemerkte; es kam aus dem Restaurant und wollte in die Bar; eine etwa dreißigjährige Frau und an ihrer Seite ein um ein paar Jahre jüngerer Mann. Er wirkte ausgelassen oder etwas betrunken. Trotzdem war er unschuldig und naiv.
Coco merkte sofort, daß sich hinter der eleganten, für jeden anderen Menschen perfekten Maske der Frau ein Dämon verbarg. Sie drehte sich halb herum und beobachtete das Paar im Spiegel der Bar. Die beiden setzten sich ans andere Ende; nur dort waren Plätze frei. Die Frau bestellte zwei exotische Cocktails.
Coco Zamis verstand nicht, was die beiden miteinander sprachen, aber sie sah, daß der weibliche Dämon das uralte Spiel der Verführung mit äußerster Perfektion betrieb. Sie umgarnte den Jungen mit allen Raffinessen. Der junge Mann, der im übrigen gar nicht schlecht aussah, war verwirrt, aber er genoß das Interesse, das ihm diese elegante Frau so deutlich entgegenbrachte. Je länger Coco zuschaute, desto genauer erkannte sie all die
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