085 - Flitterwochen mit dem Tod
kleinen Zeichen, mit denen sich ihr der weibliche Dämon - und nur ihr - verriet.
Der Barmann kannte die Frau, also war es ziemlich sicher, daß sie hier wohnte. Coco wartete genau so lange, bis es für sie feststand, daß auch die beiden gehen wollten. Dann stand sie auf und schlenderte hinüber zur Rezeption. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Theke und blickte in die entgegengesetzte Richtung. Dabei behielt sie den Spiegel zwischen den beiden Lifttüren im Auge. Sie brauchte nicht lange zu warten.
„Meinen Schlüssel, bitte!" sagte die Stimme der Dämonin.
Der junge Mann ging zum Lift und blieb davor stehen.
„Nummer vierhundertsiebzehn."
Coco fühlte sich aus zwei Gründen verpflichtet, etwas zu tun. Erstens mußte sie wissen, was hier gespielt wurde; und zweitens wollte sie das Leben des schüchternen jungen Mannes retten. Er würde von der Dämonin zerfleischt werden. Sie mußte etwas tun; und sie wußte auch genau, was sie tun würde.
Sie konzentrierte sich und beschleunigte ihre persönliche Zeit. Ihre Bewegungen wurden so schnell, daß sie fast unsichtbar wurde. Coco wirbelte herum und ergriff den Zimmerschlüssel, der auf der Theke lag. Noch bevor jemand reagierte, raste sie vier doppelte Treppen hinauf. Sie fand am Ende des Ganges die Zimmernummer und schloß auf. Augenblicklich war sie wieder zurück, legte den Schlüssel auf das Pult und raste mit derselben Geschwindigkeit erneut hinauf. Als sie vor der Zimmertür ankam, verlangsamte sie ihr Tempo. Alles, was die Menschen an der Theke hatten merken können, war ihr plötzliches Verschwinden aus der Halle. Aber jeder würde schwören, nichts gesehen zu haben. Es ging alles einfach viel zu schnell für menschliche Sinne.
Die ehemalige Hexe Coco öffnete die Zimmertür, schaltete das Licht ein und blickte sich um. Während die Dämonin mit ihrem unerfahrenen Liebhaber im Lift aufwärts fuhr, untersuchte sie Schränke und die Bäder und Toiletten der Suite, und als sie an das Bett kam, machte sie eine schauerliche Entdeckung.
„Ich brauche noch mehr Zeit", sagte sie halblaut und beschleunigte zum zweiten Mal den Ablauf der Zeit. Einige Sekunden - der normalen Zeit - später hatte sie den Mechanismus des Bettes entschlüsselt und wußte, daß es in Wirklichkeit eine tödliche Falle war. Eine kurze Überlegung, dann betätigte sie den versteckten Schalter, huschte zurück neben die Tür und löschte das Licht der verschiedenen großen Stehlampen. Coco überlegte noch immer, ob es besser war, sich weiterhin in solch rasender Geschwindigkeit zu bewegen, als sie hinter der Tür das etwas zu schrille Lachen der Dämonin hörte.
Der Schlüssel bewegte sich mehrmals im Schloß, aber die Dämonin war so gierig und auf ihr Opfer konzentriert, daß sie nicht merkte, daß das Zimmer nicht abgeschlossen war. Die Tür öffnete sich, und beide Personen traten ein.
Coco entschloß sich - ihrer eigenen Sicherheit wegen und auch wegen des Überraschungseffektes-, wieder die Zeit zu beschleunigen. Die Dämonin würde gar nicht begreifen, was überhaupt geschah; und sie würde nicht einmal daran denken können, sich zu wehren, denn es gab für sie keine echte Chance.
Als Coco an der Türkante die Finger der Dämonin mit den langen, blutrot lackierten Nägeln sah, handelte sie. Zum dritten Mal verwandelten sie sich in einen rasenden, kaum mehr sichtbaren Schatten. Sie packte die Dämonin an den Oberarmen, stieß sich von der Wand ab und gab der Frau einen starken Stoß, der sie durch das halbe Zimmer und auf das Bett schleuderte.
Der junge Mann stand noch immer regungslos da, die Hand am Lichtschalter.
Coco entschied, daß er vor Schreck erstarren sollte, da er keineswegs eingreifen und sie in ihrem Vorhaben stören durfte. Wenn er sehen würde, in welch makabren Mechanismus sich das luxuriöse Doppelbett verwandelte, würde er ohnehin vor Schreck versteinern.
Sie kümmerte sich nicht mehr weiter um ihn und machte sich daran, die Dämonin zu vernichten.
Die Frau war über das flachere Fußende gefallen und lag halb über dem Bett. Unsichtbare Motoren begannen anzulaufen. Wie mächtig die Dämonen waren, ging daraus hervor, daß sie es geschafft hatten, ein solches Gerät hierher in ein Innenstadthotel zu bringen.
Coco durchschaute den magischen Mechanismus des Bettes nicht, aber sie packte die auf kreischende Dämonin an den Beinen und warf sie vollends auf das Bett. Die Zierdecke flog, von einer unsichtbaren Kraft gepackt, nach rechts in die
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