085 - Von den Morlos gehetzt
als stinkende, schwarze Leere! „Vielleicht war auch Claire M. Benneth nur ein von diesem Geist beherrschter Körper. Irgend jemandem sind damals einige Dinge seltsam vorgekommen, und man klagte sie der Hexerei an. Das wäre durchaus denkbar.“
Ich nickte erschüttert.
„Ja, und als man sie in die Themse warf, verließ sie den Körper der Claire M. Benneth, um sich irgendwo anders einzunisten. Komm, Ben! Wir müssen Laura finden.“
Aber so oft wir auch ihren Namen in die Gänge schrien, es kam keine Antwort.
Laura hätte in diesem Augenblick nicht sagen können, wie sie in diesen schrecklichen, stinkenden Gang gekommen war. Schwach erinnerte sie sich daran, daß sie aus dem Wagen gestiegen war, die Türen verschloß und sich auf den Weg zum Lift machte. Von diesem Augenblick an setzte ihre Erinnerung aus.
Kaum spürbar hatte sie einen feinen Schmerz im Kopf empfunden – dann diese Leere in den Gedanken.
Nun taumelte sie durch die finsteren Kanäle und wurde von rauhen Kälberstricken, die man ihr um den Hals gebunden hatte, hin- und her gezerrt. Schemenhaft sah sie zwei, etwa fünfzig Zentimeter hohe, plumpe Gestalten in wiegendem Gang vor sich hergehen. Einer folgte ihr. Zum ersten Mal hörte sie nun auch dieses helle Fiepen, von dem Warren vor Gericht berichtet hatte, und plötzlich wurde ihr bewußt, daß Warren nicht gelogen hatte.
Die rauhen Stricke an ihrem Hals scheuerten die Haut auf, doch spürte sie kaum mehr den Schmerz, den sie anfangs bei jedem Schritt empfunden hatte. Wie eine Sklavin zerren sie mich hinter sich her, dachte sie verbittert. Was werden sie nun mit mir tun, da sie auch mich in ihrer Gewalt haben? Warum hatte man sie nicht gleich getötet, wie Elena Tichles vor einigen Stunden? Warum zerrte man sie durch diese stinkenden, unterirdischen Kanalgänge?
Eines der Wesen, das sich vor ihr mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Dunkelheit bewegte, stieß plötzlich einen hellen Fiepton aus, worauf das hinter ihr gehende sofort mit hartem Ruck an dem dritten Strick zog, der ihre Hände auf dem Rücken zusammenhielt.
Sie schrie leise auf und blieb stehen. Eines der Wesen kam nun näher, befühlte mit weichen, fetten Fingern ihre Fesseln, stieß ein befriedigtes Pfeifen aus und machte sich dicht neben ihr an der feuchten Seitenwand des Kanals zu schaffen. Erst jetzt sah sie die Eisensprossen, die in der Wand eingemauert nach oben führten. Behende wie ein Affe kletterte die scheußliche Kreatur in die Höhe, während die anderen still warteten. Nach einer Weile machte sich das zweite Wesen ebenfalls an den Aufstieg, wobei es kräftig an Lauras Halsstricken zog. Von hinten wurde sie gegen die Wand gestoßen. Sie rutschte aus, schlug seitlich mit dem Gesicht gegen die Mauer und sank stöhnend zu Boden.
Von oben kam wieder dieses schrille Pfeifen. Der Strick am Hals lockerte sich, und sie spürte die kleinen, dicken Hände in ihrem Gesicht.
„Meinetwegen bringt mich um!“ flüsterte sie. „Tötet mich, oder laßt mich endlich in Ruhe.“
Sie huschten um sie herum, wie nackte, haarlose und fette Ratten. Jemand nestelte an den Fesseln, die ihr die Handgelenke zusammenschnürten, auch das Seil am Hals wurde lockerer. Ein anderes Wesen zerrte sie auf den Rücken, widerlich quallige Arme schoben sich unter ihre Achseln und versuchten sie in die Höhe zu heben.
Es geht also nach oben, dachte sie. Hinauf auf die Erde und an die Luft und die Frische. Vielleicht sollte sie doch nicht sterben. Vielleicht suchten diese Kreaturen Kontakt mit einem Menschen.
Immer noch war sie wie benommen, aber sie begriff, daß es bald ein Oben geben würde und daß dieses Oben weit angenehmer als die stinkende, tiefe Finsternis wäre. Sie rappelte sich auf, spürte, daß ihre Hände frei waren, tastete an der Wand entlang, kroch schließlich Sprosse um Sprosse hinauf.
Kühle, saubere Luft kam ihr von oben entgegen und ließ sie unter den feuchten Kleidern erschauern.
Die Benommenheit wich, je mehr sie sich dem runden Ausstieg näherte. Ihr Kopf wurde wieder klar, der frische Sauerstoff im Blut verdrängte die Leere im Gehirn und die Apathie.
Und plötzlich kehrte die Angst zurück. Würde es jemals wieder Freiheit für sie geben? Sonne und Luft? Nein, man würde sie nicht schonen. Noch kannte sie zwar nicht den Grund, warum die Wesen sie durch die unterirdischen Kanäle geschleppt hatten, aber so lange sie lebte, denken und sprechen könnte, würde sie eine Gefahr für diese aufgedunsenen,
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