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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Weges wieder trafen.
    „Ich habe das Foto noch gut in Erinnerung“, sagte ich und versuchte mir einige Einzelheiten wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. „Meines Erachtens müssen wir noch weiter rauf. Das Grab der alten Hexe hatte einen kapellenartigen Aufbau mit einer kleinen Tür. Versuchen wir’s also am nächsten Weg.“
    Wir marschierten zwischen den Gräbern hindurch. Mir schauderte es bei dem Gedanken, daß dort unten vielleicht ein schreckliches reges Treiben herrschte, daß die Toten nicht ihren Frieden in der Erde fanden und gerade in diesem Augenblick ein Tunnel unter mir zu einem der Hügelinsassen gegraben wurde.
    Wieder trennten wir uns am nächsten Weg. Und dieses Mal hatten wir Glück. Gleich das dritte Grab, dessen Namenstafel ich studierte, war das Grab der Claire M. Benneth. Ich stand da, leuchtete die kaum leserliche Schrifttafel an und fühlte mich mit einem Mal armselig, klein und schwach. Ben trat hinter mich, las und sah mich dann alarmiert an.
    „Sie – ist es, nicht wahr?“
    Ich nickte.
    „Jetzt erkenne ich die Gruft auch vom Foto wieder. Mein Gott, wie erbärmlich doch ein Mensch sein kann! Eigentlich müßte ich die Tür aufreißen, hineinstürmen und zu Boden schmettern, was mir zwischen die Fäuste kommt. Laura ist da vielleicht drin, und ich liebe sie. Sie ist in Gefahr, aber ich habe Angst, Ben! Verdammte, gemeine Angst die Tür aufzustoßen, die wir seit Stunden verzweifelt suchen.“
    Ben betrachtete die verrostete, kleine Eisentür, die uns noch vom Innern der Grabkammer trennte.
    „Mir geht’s nicht besser“, flüsterte er. „Es kommt mir vor, als ginge etwas Böses, Grausames von diesem alten Gemäuer aus. Ich finde, wir können ruhig zugeben, daß wir Angst haben. Das, was uns hier vielleicht erwartet, ließe auch James Bond an Umkehr denken.“
    Noch einmal sah ich mich um. Stille und Ruhe im Morgendunst. Blasse Bläue zog sich bereits über den Himmel und dort, wo in wenigen Minuten die Sonne aufgehen würde, färbte sich der Himmel rot. Ben hatte recht. Es würde ein schöner Sonnenaufgang werden.
    „Komm!“ sagte ich entschlossen. „Jede Sekunde kann kostbar sein.“
    Ich legte die Hand auf die Klinke, drückte sie herunter und schob die Tür nach innen auf. Es gab ein leises, quietschendes Geräusch. Hinter mir leuchtete Ben in den kleinen, verschmutzten Raum hinein, der wohl – was früher durchaus möglich gewesen war – für alle Ewigkeit gekauft oder gemietet worden war.
    „Leer“, sagte Ben mit hoffnungsvollem Klang in der Stimme. „Hier sieht’s aus, als wäre der letzte Verwandte drei Jahre nach der Benneth gestorben. Ziemlich verwahrlost alles.“
    Wir traten ein, ich schloß die Tür wieder von innen, und schon machten wir uns auf die Suche nach einem Verschluß oder Griff, mit dem man die Grabplatte vom Boden heben konnte.
    „Hier!“ flüsterte ich, nachdem ich eine Weile den Rand der schmuddeligen Marmorplatte abgetastet hatte. „Ich glaube, ich habe die richtige Stelle gefunden. Komm, faß mal mit an.“
    Wir preßten unsere Finger in den tiefen Spalt, ich holte tief Luft und zog die schwere Platte einige Zentimeter hoch, bis Ben nachfassen konnte und wir sie gemeinsam auf die Längsseite stellten. Uralte, rostige Scharniere auf der gegenüberliegenden Seite machten aus dieser dicken Marmorplatte eine zwar schwere, aber gut anzuhebende Bodentür, die eine düstere, modrige Gruft abdeckte.
    Auf der rechten Seite waren grobe, schmale Stufen aus der Wand geschlagen, die steil in die Tiefe führten. Als ich den Strahl der Lampe auf sie richtete, huschte eine Ratte blitzschnell die Stufen hinunter und verschwand in einem modrigen Haufen Holz, der in der Mitte der Gruft lag und vor vielen Jahren einmal Claire Benneths Sarg gewesen war.
    „Die Stufen sehen nicht aus, als würden sie oft benützt“, flüsterte Ben. „Hier ist seit Jahrzehnten niemand mehr runtergegangen.“
    „Sie verlassen ihr Reich ja auch fast nie“, erwiderte ich leise. „Außerdem kann es mehrere Ein- und Ausgänge haben.“
    Die Lampe in der Linken, das Montiereisen in der Rechten, trat ich auf die Stufe. Sie war glitschig und moosbewachsen, und je tiefer ich in die Gruft hinunterstieg, um so feuchter wurde die übelriechende Luft. Eine Weile suchten wir unten vergeblich die groben Steinwände nach einer verborgenen Tür oder Durchgang ab, bis mir einfiel, daß diese Gruft eigentlich nicht tief genug lag, um einen Eingang zu einem unterirdischen, nie entdeckten

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