0854 - Jäger der verlorenen Seelen
ausgelacht zu werden. Dagegen allerdings stand das Verschwinden der vier jungen Leute. Da mußte man einfach jede Möglichkeit ausschöpfen, um den Fall zu klären, auch wenn die Wege noch so kompliziert zu gehen waren.
»Ich mache es«, murmelte er und strich durch seinen Bart, in dem etwas Fett klebte. »Ich werde Mary und John anrufen und ihnen erklären, daß ihr Sohn…« Seine Stimme erstarb, denn plötzlich war er abgelenkt worden.
An der Hecke passierte etwas.
Der ehemalige Küster schaute genauer hin. Er glaubte, dort eine Bewegung gesehen zu haben. Die Hecke hatte gezittert.
Ein Lufthauch?
Das war möglich, brauchte aber nicht zu sein. Denn bei einer Luftbewegung hätte sich dies auf die frischen grünen Blätter übertragen.
Davon war nichts zu sehen gewesen.
Dundee McGeoff wurde mißtrauisch. Er legte die Hände auf die Tischplatte und stemmte sich hoch.
So konnte er zwar besser sehen, aber doch nicht mehr erkennen.
Das Fenster stand offen. Die schon warme Mittagsluft strömte in die Küche. Sonnenstrahlen fielen gegen den Holzboden und wiesen daraufhin, daß dort Staub geputzt werden mußte.
Nichts geschah.
Er wartete.
Sekunden vergingen. Die Spannung in seinem Innern wuchs. Mc Geoff war davon überzeugt, daß sich an der Hecke etwas für einen Moment gezeigt hatte und nun auf dem Weg zu ihm war.
Menschen?
Er glaubte nicht daran. Die hätte er sehen müssen. Plötzlich dachte er wieder an IHN!
Tief holte er Luft. Es konnte gut möglich sein, daß ER sich auf den Weg gemacht hatte. Schließlich wußte ER über den Küster Bescheid.
Er kannte ihn ja noch von damals, als McGeoff ein junger Mann gewesen war.
Etwas Kaltes berührte sein Gesicht.
Im ersten Moment schrak der alte Mann zusammen. Er dachte nicht an einen normalen Windzug, sondern schon an den Hauch des Todes, der ihn gestreift hatte. Wie ein Gruß aus einer kalten Welt, in der die Seelen der Toten das Sagen hatten.
Dundee McGeoff lief nicht fort. Er war einfach zu alt, um noch vor irgendwelchen Dingen wegzulaufen. Er blieb in seiner kleinen Küche, um sich dem Schicksal zu stellen.
Wieder erwischte ihn der Hauch.
Diesmal von hinten. Wie ein dünner Schleier aus Eis war er über seinen Nacken gestreift.
McGeoff fror selbst nicht ein. Er lächelte sogar, als er sich umdrehte, denn er rechnete mit IHM.
Dundee McGeoff schaute zur Tür.
Was er dort sah, war selbst für ihn nicht zu fassen. Direkt nebeneinander und dennoch leicht versetzt, standen die Geister der vier verschwundenen jungen Leute…
***
Der alte Mann war zu keiner Reaktion fähig. Man hätte ihm hundert Fragen stellen können, er hätte auf keine eine Antwort gewußt. Aber er verfiel auch nicht in Panik, weil ihm sein Feeling einfach sagte, daß diese vier Geister nicht gekommen waren, um ihn zu vernichten.
Daß es sie überhaupt gab, hatte in der Existenz eines ANDEREN seinen Grund. Der pensionierte Küster war von nun an voll und ganz davon überzeugt, daß er mit seinen Vermutungen recht hatte.
Diese vier jungen Leute waren gestorben, aber nicht eines natürlichen Todes. Da mußten die Vorgänge aus dem Jahr 1943 eine sehr große Rolle gespielt haben. Sie waren tot, daran gab es für McGeoff keinen Zweifel, aber sie lebten trotzdem auf ihre Art und Weise, denn das Totenreich hatte ihre Seelen bestimmt nicht angenommen.
Sie irrten umher, vielleicht suchten sie nach dem Täter, vielleicht konnten sie nur ihre Ruhe finden, wenn ER vernichtet war. Das alles schoß ihm durch den Kopf. Obwohl er sich nicht mal so schlecht fühlte, war es ihm doch nicht möglich, eine Frage zu stellen.
Die Geister bewegten sich.
Sie schwebten voran. Es war mehr ein Zittern. Da bewegte sich die Luft, sie erreichte ihn als Strom und kühlte sein Gesicht.
Und dann erreichte ihn die Stimme.
War es eine, oder waren es mehrere? Vielleicht sprachen sie alle zusammen, er konnte es nicht feststellen, denn dieser Klang war nicht normal gewesen. Er war mehr mit einem hohen Zischen und gleichzeitigem Singen zu vergleichen. Fremde Geräusche, die ihn aus einer anderen Dimension erreichten und die dem Mann auch klarmachten, wie schwer es die Geisterwesen hatten, mit normalen Menschen in Kontakt zu treten. Er wunderte sich sowieso, daß es auf dieser Ebene klappte.
»Verschwinde…«
Es war eine Warnung. Das Wort wiederholten sie mehrmals, als sollte er es sich genau merken.
McGeoff sagte nichts.
»Geh weg von hier!«
»Ja, ja!« Erst jetzt brachte er die beiden Worte flüsternd
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