0856 - Leas Hexenladen
zurechtzufinden. Das sah bei mir anders aus, denn ich hatte tagtäglich damit zu tun und mich natürlich längst daran gewöhnen können.
Sie lächelte. »Du siehst das anders, John?«
»Natürlich, aber ich sehe auch noch etwas anderes.«
»Und was?«
»Daß wir tanken sollten.«
Maureen schüttelte den Kopf. »Daß du an so etwas überhaupt denken kannst, ich meine, in dieser Situation.«
Ich warf einen schnellen Blick auf das Ortsschild. »Außerdem sind Tankstellen gute Informationsbörsen. Nicht zu erstenmal habe ich mir bei einem Tankwart Auskünfte geholt. Die Leute freuen sich zumeist, wenn sie mal reden können.«
»Du mußt es wissen.«
Tankstellen ballen sich oft an Ortseinfahrten und Ortsausgängen. In Barham war es auch nicht anders, und wir rollten auf eine zu, die an der linken Seite lag.
Ein Wagen fuhr soeben ab. Es war der einzige, dessen Fahrer getankt hatte.
Der Tankwart selbst war ein unwahrscheinlich dicker Mann. Als er näher kam und ich ausstieg, erkannte ich eine Frau. Sie hatte ihre Haare durch eine Schirmmütze verborgen. Die Dame brachte einiges auf die Waage, aber sie hatte ein rundes, fröhlich wirkendes Gesicht, das zeigte, wie positiv sie dem Leben gegenüberstand.
»Voll, bitte.« Ich war ausgestiegen, und auch Maureen kletterte aus dem Wagen.
»Sonst noch etwas, Mister? Nach Wasser und Öl schauen?«
»Nein, da ist alles okay«, erklärte Maureen.
»Gut.«
Ich nickte so, daß die Frau es sehen konnte. »Ein sehr schöner Flecken Erde ist das hier, wirklich.«
»Das sagen viele.« Sie hatte sich aufgerichtet und wischte die Handflächen am Overall ab.
»Mit der Ruhe wird es bald vorbei sein, denke ich.«
»Sie denken an den Tunnel, Mister.«
»Richtig.«
»Da hoffen wir auf etwas Belebung.«
Ich lachte. »Möchten Sie denn berühmt werden?«
»Das nicht. Aber ein wenig Tourismus könnte nicht schaden. Wir liegen nicht zu nahe an London, aber auch nicht zu weit entfernt. Hier könnte man eine Zwischenstation einlegen und richtig Atem holen, bevor man sich in den Trubel stürzt.«
»Die Rechnung könnte aufgehen, aber bekannt ist Barham schon.«
»Ach ja?«
»Sicher. Ich habe zwei Freunde, die wußten hier über Barham Bescheid. Es gibt hier ein Geschäft, einen Hexenladen, der von einer gewissen Lea geführt wird…«
»Das stimmt«, unterbrach sie mich und hängte den Schlauch wieder in die Halterung. »Hat es sich denn herumgesprochen?«
»Und ob.«
»Dann sind Sie auch wegen des Ladens gekommen.«
»Nicht direkt«, wiegelte ich ab. »Es war mehr ein Zufall, der uns nach Barham führte. Ich erinnerte mich nur daran, was man mir erzählt hatte. Außerdem wollten wir eine kleine Pause einlegen und auch etwas essen.«
»Hier gibt es zwei gute Fisch-Restaurants.«
»Das ist doch was.« Ich folgte der Frau in das kleine Häuschen. Maureen blieb zurück.
»Aber Ihnen ist der Hexenladen nicht geheuer«, sagte ich, als sie die Kasse öffnete und mein Geld nahm.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich mag keine Hexen. Und ich mag auch nicht die Typen, die oft genug diesen Laden frequentieren. Sie sind einfach nicht gut, Mister, das spürt man. Die meisten von uns möchten diesen Hexenladen lieber aufgelöst sehen, Mister, aber dieser Frau gehört der Bau, und daran kann man eben nichts ändern.«
»Was ist diese Lea denn für eine Person?« erkundigte ich mich und mußte feststellen, daß ich nicht vorsichtig genug gewesen war, denn die Tankfrau schaute mißtrauisch.
»He«, sagte sie. »Allmählich habe ich das Gefühl, als ginge es Ihnen nur um den Laden.«
»Sie haben recht. Anschauen wollte ich ihn mir. Können Sie mir denn sagen, wo wir ihn finden?«
»Ja, in einer Seitenstraße. Er liegt dort, wo die Häuser alt sind und ziemlich windschief aussehen. Das ist genau der richtige Ort für ein derartiges Geschäft. Da stimmt sogar die Umgebung. Aber ich habe eben keine Lust, mich um dieses Geschäft zu kümmern. Und mit Lea habe ich auch noch nicht gesprochen. Sie ist aber nicht zu übersehen, denn man kann sie als schillernde Persönlichkeit bezeichnen, wenn man sie positiv beschreiben will. Und da wäre noch etwas, das ich Ihnen sagen möchte, Mister. Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber es geht das Gerücht um, daß Lea nicht eben auf Männer steht. Sie ist nicht lesbisch, denke ich, aber dieser Hexenladen wendet sich mehr an Frauen, was zum Beispiel die Bücher angeht, die Sie dort kaufen können.«
»Sie meinen moderne Hexen.«
Die Tankwartin winkte ab.
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