086 - Das grüne Phantom
späten Nachmittag ging Karin einkaufen. Sie war groß und blond und sah recht gut aus. Karin hatte immer gehofft, zwischen ihr und Werner Schmidt würde es mehr werden als eine flüchtige Liebelei.
Sie hatte kein Interesse daran, zur Polizei zu gehen und zu erzählen, daß Werner Schmidt in ihrer Wohnung war. Er hatte nichts verbrochen - so glaubte sie - wenn ihr sein Verhalten auch merkwürdig vorkam.
Da er sich so mürrisch und einsilbig gezeigt hatte, hatte Karin kein Interesse daran, schnell nach Hause zurückzukehren. Er sollte ruhig warten. Vielleicht würde er dann umgänglicher. Karin ließ sich Zeit beim Einkaufen und ging dann bei einer Freundin vorbei. Sie besuchten ein Cafe und dort verplauderten sie sich. Karin merkte erst, wie spät es war, als es zu dämmern begann und die Lichter angingen. Sie zahlten, und Karin holte die eingekauften Sachen, die sie bei der Freundin abgestellt hatte.
Karin hatte mit der Freundin nicht über Werner Schmidt gesprochen. Immerhin suchte ihn die Polizei oder war doch an ihm interessiert. Während Karin zur U-Bahn-Station ging, machte sie sich Vorwürfe, weil sie für Werner nichts gekocht hatte. Aber eine Dose würde er mit seinen Seemannspfoten wohl noch aufmachen können, überlegte sie sich dann.
Als Karin das Haus erreichte, in dem sie wohnte, war es schon dunkel. Sie bemerkte die beiden Männer nicht, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem metallicblauen Porsche saßen. Als sie Karin sahen, stiegen sie aus.
In Schössen waren weder Elke Siversen noch Adam Raspers oder Werner Schmidt aufgetaucht; der alte Harms Jansen und der junge Jan Neidhart natürlich auch nicht; daß sie im Moor lagen, wußten nur wenige Hekateanhänger, und die schwiegen.
Von Elke Siversens Mutter erfuhr Dorian, daß die Kriminalpolizei ihn und Thomas Becker zu sprechen wünschte. Die rundliche grauhaarige Frau betrachtete Dorian mißtrauisch und benahm sich viel reservierter als am Morgen.
„Elke hat angerufen", sagte sie. „Von wo, weiß ich nicht. Sie sagte nur, ihr ginge es gut, und wir sollten uns keine Sorgen machen. Dann legte sie gleich wieder auf. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Auf Wiedersehen!"
Sie hatte Dorian und Thomas Becker im Hausflur abgefertigt.
Die beiden Männer gingen. Sie fuhren zum Rathaus, denn es war ihnen klar, daß sie sich den Behörden nicht einfach entziehen konnten, nicht in Deutschland, wo der Polizeiapparat präzise arbeitete.
„Ah, Professor Becker und Mr. Hunter!" rief die Sekretärin des Bürgermeisters. „Das trifft sich gut. Kommissar Wenzel ist gerade beim Bürgermeister. Ich werde Sie gleich anmelden."
Sie eilte ins Dienstzimmer des Bürgermeisters, und ein paar Augenblicke später begrüßten Dorian, Thomas Becker und Peter Plank den Kommissar und einen seiner Inspektoren.
Kommissar Wenzel war ein etwas korpulenter Mann Mitte der Vierzig mit einer Warze auf der schiefen Nase und dunklen schmalen Augen. Er hatte einen Röntgenblick. Es war, als könnte er seinem jeweiligen Gesprächspartner bis auf den Grund der Seele schauen. Trotz der Hitze trug er eine Krawatte, altmodisch und mit schmalem Knoten. Sein Assistent kleidete sich legerer.
Der Kommissar kniff die Augen ein wenig mehr zusammen, als er die drei Männer sah. Peter Plank sah mit seinem krausen, roten Haar und dem T-Shirt ziemlich abenteuerlich aus. Dorian wirkte mit seinem Schnauzbart und dem offenstehenden Hemd auch nicht wie ein biederer Bürger. Lediglich Thomas Becker sah man trotz der sommerlichen Kleidung das Establishment an.
„Ich wollte schon nach Ihnen fahnden lassen, meine Herren", sagte der Kommissar. „Ich habe ein paar Fragen an Sie. Gibt es hier einen Raum, in dem wir uns ungestört unterhalten können, Herr Bürgermeister?"
„Das Besuchszimmer steht Ihnen zur Verfügung", sagte der dicke schwitzende Bürgermeister sofort. Er führte die Männer hinüber und wollte dabeibleiben.
„Sie brauchen wir nicht, Herr Röttger", sagte der Kommissar freundlich.
Der Bürgermeister zog sich zur Tür zurück. „Kann ich Ihnen eine Erfrischung bringen lassen?" „Nein, danke."
Die Tür wurde geschlossen, und der Kommissar wandte sich Dorian Hunter und seinen beiden Gefährten zu.
„Also, meine Herren?"
Dorian hatte keine Lust, ihm von sich aus mehr zu erzählen, als er mußte. Er wußte, daß Kriminalisten mißtrauisch waren; ebenso wie ein Arzt alle Leute, mit denen er sprach, nach eventuellen Leiden und Krankheiten abschätzte, witterten sie
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