086 - Das grüne Phantom
weinrot mit Goldstickerei. Der andere - stämmig, breitschultrig und mit einem Schnauzbart - trug ein T-Shirt. Er hatte Muskelpakete wie ein Gewichtheber unfeinen enormen Brustkasten. Die beiden wurden der schöne Adi und Stemmer-Paule genannt. Es waren St. -Pauli-Zuhälter.
„Was wollt ihr?" fragte Karin Gördeler ängstlich.
„Kannst du dir das nicht denken?" fragte der schöne Adi. Er sah auf seine teure Platinuhr. „Seit zwei Stunden und fünfzig Minuten warten wir schon auf dich. Wir sind mächtig sauer, Paule und ich. Wir wollen in deiner Wohnung mit dir reden."
„Ich will mit euch nichts zu tun haben. Geht weg und laßt mich in Ruhe, sonst schreie ich um Hilfe!"
„Wenn du einen Muckser von dir gibst, zerschlage ich dir deine Visage", sagte Stemmer-Paule grob. Karin wußte, daß er nicht spaßte. Er war einer der übelsten Schläger von Hamburg und hatte schon wegen Totschlags im Gefängnis gesessen.
„Laßt mich in Ruhe!" wiederholte sie.
Stemmer-Paule packte ihren einen Oberarm und drückte zu. Der schöne Adi hielt ihren anderen Arm fest und preßte eine Hand vor ihren Mund. Stemmer-Paule besaß Bärenkräfte. Sein Griff tat höllisch weh. Karin schossen Tränen in die Augen. Sie ließ die Einkaufstaschen fallen. Als Stemmer-Paule losließ, massierte sie mit Schmerzenslauten ihren zerquetschten Oberarm.
„Das war nur ein Vorgeschmack", sagte Stemmer-Paule. „Kommst du jetzt mit, oder soll ich drastischere Mittel anwenden?"
Karin wußte, daß es keinen Zweck hatte. Die beiden würden sie fertigmachen, und niemand würde es wagen, einzugreifen.
Sie nickte.
„Dann heb deinen Kram auf!" sagte der schöne Adi. „Ist überhaupt eine Sauerei, Lebensmittel auf die Straße zu werfen, wo heutzutage alles so teuer ist. Na los, mach schon! Wir haben noch was anderes vor."
Karin wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sammelte ihre Sachen ein. Sie trug die Taschen ins Haus. Der schöne Adi und Stemmer-Paule folgten ihr. Im Treppenhaus begegnete sie einem Hausbewohner, einem älteren Mann, der gerade den Abfalleimer zur Mülltonne trug. Sie wagte nicht, etwas zu ihm zu sagen.
Karin dachte an Werner Schmidt.
Daß er ihr helfen konnte, glaubte sie nicht. Die beiden Zuhälter waren brutal und rücksichtslos. Mit einem einzelnen Mann wurden sie rasch fertig.
Der schöne Adi war ein noch üblerer Bursche als Stemmer-Paule. Letzterer war ein Schläger, der schöne Adi aber trug seine Streitigkeiten mit Messer oder Pistole aus; er war ein Experte mit dem Rasiermesser.
Karin überlegte, ob sie etwas von Werner Schmidt sagen wollte.
Aber da sagte Stemmer-Paule: „Wir haben bei dir geklingelt, aber es hat niemand aufgemacht. Immer wieder haben wir geläutet und schließlich haben wir uns in den Wagen gesetzt. Was treibst du dich denn so lange in der Stadt herum, du dumme Gans?"
„Ich war einkaufen", sagte Karin.
Sie beschloß, nichts von Werner Schmidt zu sagen. Vielleicht war er weggegangen, weil es ihm in der Wohnung zu langweilig geworden war. Sie wollte ihn nicht in diese Sache hineinziehen.
Karin schloß die Wohnungstür auf und knipste das Licht an. Sie schaute ins Wohnzimmer und in die Küche, aber Werner Schmidt war nirgends zu sehen. Karin glaubte, er wäre fort. Zurückgelassen hatte er nichts.
Sie stellte die Einkaufstaschen im Flur ab, und Stemmer-Paule stieß sie ins Wohnzimmer. Er schubste sie grob in den Sessel. Die beiden Männer blieben vor ihr stehen. Stemmer-Paule verschränkte die mächtigen Arme. Der schöne Adi holte ein Rasiermesser aus der Gesäßtasche. Es war ein altmodisches, sehr scharfes Rasiermesser. Die bläulich schimmernde Klinge funkelte im Lampenlicht. Stemmer-Paule zog nach einen prüfenden Blick auf die Straße die Stores zu. Dann stellte er sich wieder in Positur.
„Wir wollen jetzt mal Fraktur reden", sagte der schöne Adi. „Ich habe dir schon ein paarmal gesagt, du sollst für mich auf den Strich gehen. Also, wie ist es?"
„Ich - ich mag so etwas nicht. Ich kann das nicht."
„So? Ich weiß genau, daß du schon gelegentlich von irgendwelchen Kunden in deinem Lokal Geld dafür genommen hast. Nicht oft, aber hin und wieder. Gelegenheitsprostitution nennt man das wohl. Wenn du es gelegentlich machen kannst, kannst du es auch regelmäßig machen. Und wenn du es machst, machst du es für mich, klar? Da kommst du nicht in die falschen Hände, hast deinen Schutz und alles."
„Adi, nein! Bitte, verlang das nicht von mir! Lieber gebe ich es ganz auf und
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