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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wuchsen, und er schmeckte den meisten Menschen.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte Naomi.
    »Ja, alles okay. Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Trink erst einmal.«
    »Danke.«
    Der Tee tat ihr gut. Naomi hielt die Tasse mit beiden Händen. Während des Trinkens schaute sie Anna an, die sich darüber freute, daß es der Kranken schmeckte. Sie wartete, bis die Tasse leer war, und stellte sie wieder zurück auf das Tablett.
    »Hast du Hunger?«
    »Kaum, danke. Der Tee hat gutgetan.«
    »Das Gebäck habe ich selbst gebacken. Du solltest es probieren. Ich habe nur gute Zutaten genommen.«
    Naomi lächelte. »Das weiß ich. Ihr… ihr seid alle so gut zu mir. Ich kann mich nicht revanchieren und…«
    »Das brauchst du auch nicht. Wir sind schließlich alle Nachbarn hier. Da muß man dem anderen helfen, wenn es dem schlecht geht.«
    »Das ist toll.« Naomi streckte den Arm aus. »Ich werde mal ein Stück probieren.«
    »Bitte«.
    Die Kranke nahm das Gebäck. Sie biß es in der Mitte durch, kaute und nickte dann. »Doch, es schmeckt gut.«
    »Das habe ich mir gedacht.«
    »Darf ich noch?«
    »Gern. Möchtest du auch Tee?«
    »Ja.«
    Sie bekam eine zweite Tasse eingeschenkt. Naomi beobachtete Anna Frappi, doch sie konnte nichts an ihr entdecken, was anders gewesen wäre als früher. Falls es eine Gefahr gab, hatte Anna sie noch nicht bemerkt, was Naomi als schlimm ansah.
    »Morgen wird noch einmal ein Arzt kommen und nach dir schauen«, sagte die Frau.
    »Mir geht es viel besser.«
    »Und deine Kopfschmerzen?«
    »Spüre ich kaum noch.«
    Anna zeigte ein ernstes Gesicht.
    »Trotzdem muß du ruhig liegenbleiben. Und wenn alles vorbei ist, wirst du wieder so sein wie früher. Das kann ich dir versprechen.«
    »Ich hoffe es.«
    »Bestimmt.« Sie deutete auf das letzte Stück Gebäck. »Hier, nimm es. Ich möchte es nicht selbst essen.«
    »Danke.« Naomi aß, Anna schenkte Tee nach, und die Verletzte trank auch noch die halbe Tasse leer. Erst dann waren beide Frauen zufrieden, wobei sich Anna erhob. »Wir werden später noch einmal nach dir schauen. Sonst noch Fragen?«
    »Ja, Anna.«
    Sie hatte das Tablett schon angehoben. »Bitte?«
    »Diese beiden Fremden aus England. Sind Sie… Sind Sie noch im Ort?«
    »Aber sicher. Sie werden auch noch bleiben.«
    »Wie lange?«
    »Zumindest diese Nacht.«
    »Das ist gut«, flüsterte Naomi erleichtert. »Das ist wirklich gut, muß ich dir sagen.«
    Anna Frappi schüttelte den Kopf. »Wieso bist du…?«
    »Ist schon gut, Anna. Ich habe nur… nun ja, ich dachte, daß es anders kommen könnte.«
    »Bitte, drücke dich deutlicher aus.«
    »Es ist nichts«, flüsterte sie. »Manchmal habe ich mir eben eingebildet, daß eine Gefahr lauert. Aber du hast ja nichts gespürt und auch nichts gesehen.«
    »So ist es. Das sind bestimmt nur Träume.«
    Sind es nicht. Das sagte Naomi nicht, sie dachte es nur und erkundigte sich noch, ob Carla sie nicht besuchen könnte.
    »Ich werde es ihr sagen.«
    »Danke, das ist nett.« Zu Carla hatte Naomi ein besonderes Verhältnis. Früher war das nicht so, aber in der letzten Zeit hatte sie festgestellt, daß Carla ihrem Alter weit voraus war. Mit ihr konnte sie sprechen wie mit einer erwachsenen Person, und Carla scheute sich auch nicht, an Dinge zu glauben, die andere mit einem Lächeln abtaten. Sie war sehr verständnisvoll, was Naomi gerade jetzt brauchte, wo sie spürte, daß sich etwas zusammenbraute.
    Die Gefahr war noch nicht vorbei. Die alte vielleicht, aber es war etwas Neues entstanden, das spürte Naomi genau. Sie war sehr sensibel geworden.
    Zwar wußte sie nicht, was da auf sie zukam, sie hoffte jedoch, mit Carla darüber sprechen zu können und wartete voller Ungeduld auf das Eintreffen des Mädchens.
    Dabei drehten sich ihre Gedanken um die Gefahr. Was konnte es sein? Welches verdammte Erbe hatten die Namenlosen Nonnen denn hinterlassen? Mit ihnen war niemand aus dem Dorf zurechtgekommen. Ein jeder hatte sie gemieden, das alte Kloster war tabu gewesen, und wenn sich eine der Nonnen in Triviso gezeigt hatte, waren die Menschen so schnell wie möglich aus ihrer Nähe verschwunden. Ihnen haftete der Geruch des Bösen an, des Negativen und des Grauens.
    Naomi wußte nicht, was mit den bösen Frauen geschehen war. Sie hatte auch nicht fragen wollen, zumindest nicht Anna Frappi. Bei Carla war das etwas anderes. Zu ihr hatte sie ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Sollten die Nonnen das Kloster verlassen

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