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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Ja!
    Diese Antwort gab sie mit den Augen, dann schaute sie nur auf die geschlossene Tür und hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken. Erleichterung wollte sie nicht überkommen. Es hatte sich einfach zu viel verändert. Noch hatte der Schrecken für sie keine Gestalt bekommen, aber er war da und lauerte.
    Draußen hatte die abendliche Dämmerung das Licht des Tages abgelöst. Die Welt hatte keine Konturen mehr. Sie war in diesem ungewöhnlichen Licht verschwommen, aber das kannte Naomi, denn dieser Vorgang wiederholte sich jeden Abend.
    Der Tag ging, die Nacht kam, und die Angst würde sich bei ihr steigern, davon ging sie aus.
    Auch der Mond würde sich bald am Himmel zeigen. Er war fast voll. Nur noch ein winziger Rest fehlte. Von den Bergen im Norden floß der Abendwind hinab ins Tal. Er brachte, daß wußte Naomi, einen frischen Geruch mit, als wollte er den verflossenen Tag noch einmal auf seine Art und Weise verabschieden.
    Die Furcht kehrte wieder zurück!
    Zwar war sie nie ganz verschwunden, durch die beiden Besucher jedoch hatte Naomi sie unterdrücken können. Jetzt aber spürte sie das Gefühl doppelt stark, und der leichte Schweißausbruch lag nicht an dem getrunkenen heißen Tee.
    Etwas war hier.
    Es lauerte.
    Es machte sich bereit!
    Das Bett war für Naomi zu einer Falle geworden. Sie hätte es gern verlassen, aber sie wußte auch, daß sie wegen der Gehirnerschütterung das Bett hüten mußte.
    Gänsehaut und Schweiß lagen auf ihrem Körper. Sie spürte, daß ihr Herz schneller klopfte. Weshalb?
    Da hörte sie das Geräusch! Es war unter ihr erklungen. Im Boden! Unfaßbar!
    ***
    Naomi lag regungslos da. Sie hielt den Mund offen, als traute sie sich nicht, auch nur einen Atemzug über die Lippen fließen zu lassen. Was sie da vernommen hatte, war unheimlich und ungewöhnlich. Verzweifelt versuchte sie, ihre Gedanken zu sammeln und eine Erklärung zu finden. Sie überlegte, ob das Haus mit einem Keller ausgerüstet war, damit hätte sie eine natürliche Erklärung finden können, daß sich jemand in den Kellerräumen breitgemacht hatte und so laut gewesen war, daß sie es mitbekam.
    Aber sie wußte nicht, ob es den Keller gab. Zudem war es ein Kratzen gewesen, und es hatte sich tatsächlich so angehört, als wäre es dicht unterhalb der Holzbohlen erklungen.
    Hatte da jemand an der Kellerdecke gekratzt?
    Naomi schluckte.
    Sie fürchtete sich, aber sie wartete trotzdem darauf, daß sich das Geräusch wiederholte.
    Zunächst geschah nichts.
    Tiefe Stille, für Naomi beunruhigend. Hitze und Kälte zugleich hatten sie erwischt. Es kam ihr vor, als hätte der Tod an den Bohlen mit langen Skeletthänden gekratzt.
    Jetzt wieder!
    Sie vereiste, denn diesmal hatte das Geräusch einen anderen Klang bekommen. Es war härter, und sie hatte auch genau gehört, daß etwas auseinandergebrochen war.
    Holz…
    Die Bohlen etwa?
    Noch einmal das Knirschen. Regelrecht brutal und wütend, von einem Splittern begleitet, an ihrer linken Seite.
    Naomi durfte und sollte sich nicht bewegen. Diese Regel warf sie über Bord, weil sie plötzlich den Eindruck hatte, daß es in diesen Sekunden um ihr Leben ging.
    Als sie sich nach links bewegte, schaute sie über die seitliche Bettkante hinweg, konnte den Bohlenboden betrachten und bekam mit, wie eine weitere Bohle brach. Zwei andere waren bereits von dem Druck zerfetzt worden.
    Ein Loch war entstanden, aus dem ihr nicht nur die kühle Kellerluft entgegenwehte, sondern ein schrecklicher Gestank, der sie an alte, verweste Körper erinnerte.
    Naomi hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Nur mühsam hielt sie den Atem an. Eigentlich hätte sie jetzt schreien müssen, aber sie tat es nicht. Statt dessen glotzte sie in die Tiefe, hinein in das Loch, aus dem das Geräusch geklungen war. Es war einfach schlimm.
    Für eine Moment spürte sie den Schwindel, und ihre Knie gaben nach. Alles verschwamm vor ihren Augen. Fiel sie aus dem Bett? Blieb Sie liegen? Naomi wußte es nicht. Sie hing über der Kante, den Mund offen. Die Augen drohten ihr aus den Höhlen zu treten, und trotz des sich wiederholenden Schwindels erkannte sie sehr deutlich, daß eine Kraft dabei war, das Loch zu erweitern.
    Was war da nur?
    Warten, riechen, schmecken!
    Auf der Zunge hatte sich dieser Gestank ausgebreitet. Es roch nach Leichen, daran gab es nichts zu rütteln. Sie hatte das Gefühl, ihren Magen ausspeien zu müssen.
    Beide Hände hielt sie gegen den Magen gepreßt. In ihrem Kopf hatte sich das Blut

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