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0862 - Der Leichenmantel

0862 - Der Leichenmantel

Titel: 0862 - Der Leichenmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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haben? Befanden sie sich noch dort?
    Fragen über Fragen, auf die Naomi keine Antwort wußte. Aber die Bedrohung blieb. Da schlich etwas Böses durch den Ort. Etwas, das sie nicht fassen oder begreifen konnte, das aber vorhanden war und auch immer näher an sie herankam.
    Ihre Nervosität nahm zu und war nicht mehr zu verbergen. Naomi blieb zwar noch im Bett liegen, schaute aber immer öfter zum Fenster. Sie wartete voller Gier auf das Erscheinen der Zwölfjährigen.
    Deren Stimme hörte sie schon von draußen her. Naomi konnte nicht verstehen, was sie sagte.
    Anna Frappi hatte ihr Versprechen gehalten und Carla Bescheid gesagt. Wenige Sekunden später klopfte es an der Tür, dann wurde die Klinke nach unten gedrückt, und Carla Frappi betrat mit einer sehr vorsichtigen Bewegung die Schwelle.
    »Du kannst ruhig kommen, ich liege nicht im Sterben«, sagte Naomi und lachte dabei.
    Carla schloß die Tür. Sie ging schneller auf das Bett zu. Bei jedem Schritt wippten die langen, schwarzen Zöpfe. Auf dem Stuhl, auf dem auch ihre Mutter gesessen hatte, nahm sie Platz und strahlte Naomi an. »Soll ich dir etwas sagen?«
    »Ja, gern.«
    »Du siehst schon viel besser aus, viel, viel besser.«
    »Hör auf, das sagst du nur so.«
    »Nein, glaub es mir. Es ist so. Du hast dich wirklich toll erholt.«
    »Ja, vielleicht, aber wie geht es für mich weiter?«
    Carla winkte ab. »Da wird sich bestimmt eine Lösung finden. Daran glaube ich fest.«
    »Mal sehen.«
    »Jetzt hast du aber traurig gesprochen.«
    »Findest du?«
    »Wenn ich es dir sage.«
    »Dann hast du recht, Carla. Ich bin auch traurig.«
    Das Mädchen nickte. »Mir brauchst du das nicht zu sagen. Ich weiß ja, was du durchgemacht hast. Andere wären schon zerbrochen. Du bist unheimlich stark, das sagen alle.«
    »Laß mal«, murmelte Naomi, »so stark bin ich auch nicht. Das eine ist vorbei, da hast du recht…«
    Sie legte eine Kunstpause ein, um die Worte wirken zu lassen.
    Damit lag sie genau richtig, denn Carla fragte: »Und wie geht es weiter? Was wolltest du sagen?«
    »Ich weiß nicht so recht.«
    »Komm, rück schon raus damit. Du hast von dem einen gesprochen. Das hat sich angehört, als gäbe es noch ein zweites.«
    »Ich glaube schon«, murmelte Naomi.
    »Wie? Was ist es?«
    »Das kann ich schlecht sagen, ehrlich. Aber… aber ich habe seit kurzem Angst, schreckliche Angst.«
    Carla war überrascht, das zu hören. Sie schüttelte den Kopf. »Angst? Vor wem denn?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Carla lachte. »Dann brauchst du doch keine Angst zu haben, wenn du nicht weißt, wovor.«
    »Doch, habe ich. Da ist noch etwas. Ich weiß ja nicht, was mit den Nonnen geschehen ist, aber ich bin sicher, daß dieses Fremde von ihnen ausgeht. Von ihrem Kloster. Du mußt es mir glauben, Carla. Ich spüre seit kurzem anders als früher. Es gibt Dinge, die kann man nicht einfach zur Seite schieben. Die haben sich in meinem Kopf festgesetzt. Das ist alles so furchtbar, auch deshalb, weil ich es nicht in Worte fassen kann. Ich… ich… wollte mit dir sprechen, du wirst mich sicherlich verstehen, denke ich mal.«
    Carla nickte, auch wenn sie noch nicht hundertprozentig überzeugt war. Aber schon längst hatte sie an etwas anderes gedacht und fragte mit leiser Stimme: »Denkst du an ihn…?«
    »Wieso?«
    »Nun ja, da ist noch etwas gewesen, das auch mit dem Kloster zusammenhängt.«
    »Was denn?«
    »Hast du nie etwas von dem Einsiedler gehört, der im Kloster erfroren ist?«
    »Nein, habe ich nicht. Ehrlich.«
    Carla hob die Schulter. »Wie solltest du auch? Es wissen ja nur wenige.«
    Naomi nahm Carlas Hand. »Kannst du mir denn nichts darüber erzählen? Bitte.«
    Das Mädchen hob die Schulter. »Ich weiß nicht, ob ich dich in deinem Zustand belasten soll.«
    »Versuch es einfach.«
    »Nun ja«, begann sie zögerlich, »es ist so. Das Kloster hat ja seine Geschichte. Es steht schon ziemlich lange. Meistens war es leer, aber nicht immer. Vor den Nonnen hat noch jemand dort gewohnt. Lange vor ihnen, sage ich mal.«
    »Wer denn?«
    »Dieser Mann. Ein Einsiedler. Ein komischer, das hat mir eine alte Frau erzählt, die ihn gekannt haben muß. Damals war es hier noch schlimmer. Die Leute hier in Triviso haben nichts mit ihm zu tun haben wollen. Er lebte ja als Einsiedler. Im Sommer konnte er sich noch ernähren, aber im Winter sah es schlecht aus. Da war kein Vieh auf der Weide, da wuchs nichts in den Gärten, das er hätte stehlen können, und er ist dann in diesem Kloster

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