0863 - Auf den Schwingen des Todes
aus meiner Ohnmacht erwacht bin und noch lebte und von dem schrecklichen Monster weit und breit nichts mehr zu sehen war, habe ich zuerst Max Cesar angerufen. Der ist dann mit seinem Fernsehteam gekommen, hat Aufnahmen gemacht und mich interviewt und mir versprochen, dass er jetzt alles für mich tun werde.«
Mrs. Curtis lächelte feinsinnig vor sich hin. »So hatte ich es schließlich auch geplant. Nun komme ich doch noch zu meinem neuen Fernseher. Und eine Weile wohnen darf ich hier auch.«
Zamorra und Nicole sahen sich kurz an. Die Frau hat Nerven , hieß das.
»Gut gemacht, Mrs. Curtis, Sie sind eine ganz Ausgeschlafene«, lobte sie der Professor. »Ich weiß nicht, ob ich das auch so glänzend hinbekommen hätte.«
»Vielen Dank, Mister Zamorra.« Sie strahlte ihn an. Etwas zu einfältig, wie Nicole fand.
»Sagen Sie, Mrs. Curtis, als Zugehfrau kannten Sie doch Mister Winghart und seine Angewohnheiten genau. Ich meine, hat er irgendwelche seltsamen Hobbys gehabt? Etwas, das Ihnen komisch vorgekommen ist?«
Sie zögerte. »Nun, da Sie es ansprechen, Mister Zamorra…«
»Ja, Mrs. Curtis? Sagen Sie ruhig, was Sie wissen. Es könnte möglicherweise in Zusammenhang mit diesem Dämon stehen.«
»Glauben Sie? Nun, ich bin sicher, dass Mister Winghart manchmal schon ein bisschen abartige Dinge getan hat. Einmal habe ich zwei so seltsame lange Gewänder bei ihm gefunden…«, sie senkte ihre Stimme unwillkürlich zu einem verschwörerischen Flüstern, »…die blutrot waren, verstehen Sie? Blutrot.«
»Roben?«, riet Nicole.
»Ja, Roben. Da waren so seltsame Zeichen drauf gestickt, wie sie im Fernsehen immer die Verschwörer tragen. Und wissen Sie, was das Seltsamste dran war?«
»Sie werden es uns gleich sagen, Mrs. Curtis.«
»Ja, Mister Zamorra, natürlich. Auf diesen Roben habe ich so komische Flecken gefunden. Das war eingetrocknetes Blut und… und…« Sie errötete plötzlich zutiefst.
»Sperma?« Nicole landete ihren zweiten Treffer.
Mrs. Curtis nickte ein paar Mal schnell und abgehackt mit auf die Brust gezogenem Kinn. Das sah ziemlich ulkig aus.
»Und da sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«
»Warum hätte ich das tun sollen, Mister Zamorra? Das Blut hätte ja ganz harmlos sein können. Und Mister Winghart hat mich immer gut bezahlt. Ich hätte mich niemals in seine Angelegenheiten gemischt.«
Zamorra bemerkte, dass Father Rempel das gefundene Buch heimlich und so geschickt unter seiner weiten Jacke verschwinden ließ, dass keine Ausbeulung zu sehen war. Er tolerierte es schweigend. Mit seinen Fragen lenkte er Mrs. Curtis zudem so ab, dass sie nicht mehr nach dem Buch fragte.
Der Professor wusste längst, dass es eminent wichtig für sie war und sie es deswegen unbedingt haben mussten. Dafür hatte ein Blick genügt.
Die drei Besucher bedankten sich vielmals und gingen dann.
***
Bereits im Auto fing Zamorra an, das etwa dreißig auf fünfzig Zentimeter große Buch unter die Lupe zu nehmen. »Hm«, sagte er, während Father Rempel sich durch den dichten Manhattener Verkehr kämpfte, »das Amulett erwärmt sich leicht. Wir haben es also mit einem schwarzmagischen Gegenstand zu tun. Hast du derartige Zeichen schon mal gesehen, Nici? Mir sind sie jedenfalls völlig unbekannt.«
Nicole auf dem Rücksitz schaute ihrem Lebensgefährten über die Schulter. »Nö«, erwiderte sie. »Keinen Schimmer.«
Der Meister des Übersinnlichen malte die verblassten, ehemals goldenen Zeichen auf dem tiefschwarzen, abgegriffenen Rindsledereinband mit dem Finger nach. »Am ehesten erinnern sie mich noch an sumerische Keilschrift-Zeichen.«
»Aber wirklich nur ganz entfernt«, gab Nicole zurück.
»Das dritte Zeichen in der vierten Reihe«, mischte sich nun Father Rempel ein, »sehen Sie es?«
»Ja. Was ist damit?«
»Es fiel mir vorhin schon auf. Ich sehe darin entfernt einen Gargoyle-Kopf.«
»Na ja, mit sehr viel Fantasie«, sagte Nicole. »Genauso gut könnte es aber der Hund von Baskerville sein. Oder Fooly.« Sie kicherte.
Im Pfarrhaus nahmen sie sich dann den Inhalt der Innenseiten vor. Es handelte sich um Aufzeichnungen und Skizzen auf uraltem, grob geschöpftem Papier, das zwar viele braune Flecken aufwies, insgesamt aber noch erstaunlich gut erhalten war.
Die drei hatten keinerlei Mühe, die Handschrift in altertümlichem Deutsch zu entziffern. Sie gab ergänzende Hinweise zu den Skizzen, bei denen es sich um die detaillierte Baupläne der sogenannten Schutzengelkirche handelte.
»Kein
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