0864 - Karas grausame Schwester
grünliche Haut, die unergründlichen Augen, der Mund, der sich vom Gesicht kaum abhob, aber zu einem Lächeln verzogen war.
»Es ist schon gut, Kara, sehr gut…«
Sie hob die Arme und griff mit beiden Händen nach dem Glas. Die ersten kleinen Schlucke reichten ihr nicht. Kara wollte das Glas bis zum Grund leeren, und sie stellte rasch fest, daß die Wüste aus ihrer Kehle verschwand.
Kara erinnerte sich wieder an die letzten Erlebnisse, an den Ritt durch die leere Wüste, und sie war von dieser Erinnerung noch immer beseelt, daß sie einfach trinken mußte.
Es war ein hohes Glas gewesen, das sie geleert hatte und das Myxin nun wegstellte.
»Geht es dir jetzt besser?« fragte er sie.
Kara schaute ihn an. Sie überlegte, dann nickte sie und versuchte zu sprechen. »Ja, es geht mir besser, es geht mir viel besser.«
»Das ist wunderbar.«
»Ich möchte nur… ich möchte nur…«
»Nicht reden jetzt. Du mußt dich erholen.« Myxin wollte zur Seite gehen, aber Kara hielt ihn fest.
»Nein, geh nicht weg. Ich möchte dir etwas sagen.«
»Was denn?«
»Ich habe den Eisernen Engel gesehen, auch schwarze Vampire und ebenfalls die Skelette auf ihren Flugtieren…«
»Das weiß ich.«
Kara wunderte sich. »Du weißt es? Woher weißt du es?«
»Du hast geredet.«
»Nein.«
»Doch, du hast deine Erlebnisse ausgeplaudert. Sie haben dich sehr beschäftigt. Ich habe sehr genau zugehört und bin auch deshalb voll informiert.«
»Ja, das ist gut.«
»Wie geht es dir denn?«
»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Kara. »Im Augenblick recht gut, aber ich bin nicht sicher, wie ich mich fühlen werde, wenn ich einmal aufgestanden bin. Wenn ich ehrlich sein soll, kann mich die Erinnerung an die Kämpfe sogar geschwächt haben.«
»Versuche es doch.«
Mit dieser Aufforderung hatte ihr Myxin indirekt zu verstehen gegeben, daß es weitergehen mußte.
Sie konnte einfach nicht liegenbleiben und warten, bis sich etwas tut. Sie mußte aufstehen, und sie würde es auch. Es war ihr Problem, nicht das der anderen.
Der kleine Magier half ihr nicht. Er schaute zu, wie Kara sich wieder in die Höhe drückte, dann sitzen blieb und ihre Handflächen gegen die Wangen legte. Sie murmelte: »Es ist so, als hätte man mir etwas abgezapft. Energie oder so ähnlich. Ich komme damit noch nicht zurecht. Das ist alles so fremd, denke ich. Wie ein Schwindel, aber ich weiß genau, daß sie da ist.«
»Roya?«
»Natürlich, wer sonst?«
»Wenn du weißt, daß sie hier ist, Kara, kannst du auch ungefähr bestimmen, wo sie sich aufhält?«
Die Schöne aus dem Totenreich schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich leider nicht. Ich weiß es nicht… Ich… ich… kann sie nur fühlen, sonst nichts. Sie umgibt mich, ohne daß ich sie sehen kann. Sie hat viele Arme, die nach mir greifen, sie nimmt Rache. Sie führt das weiter, was sie damals nicht schaffte. So lange, bis ich nicht mehr bin.«
»Aber du kannst ihr nicht entkommen.«
»Das kann ich nicht.«
»Dann gibt es nur eines, Kara, wir müssen sie finden, und wir müssen ihr dabei entgegengehen.«
Kara saß noch immer auf der Bettkante. Jetzt war Myxin größer als sie. Um ihn anschauen zu können, mußte sie in die Höhe schielen. »Ja«, murmelte sie, »du hast tatsächlich recht. Du hast so recht. Es stimmt einfach alles, was du gesagt hast.«
»Eben.«
»Aber wie, Kara?«
»Nicht hier«, flüsterte sie. »Es gibt nur einen Ort, wo wir die Verbindung aufnehmen können.«
Myxin streckte ihr die Hand entgegen. »Die Steine«, sagte er, wartete ihr Nicken nicht erst ab und zog sie in die Höhe.
Sie traten ins Freie, wo der Eiserne Engel stand und Wache hielt. Als Kara ihn sah, zuckte sie zusammen, denn sie dachte wieder an ihre letzte Erinnerung und wie der Eiserne sie in die Stadt ihres Vaters gebracht hatte.
Jetzt stand er hier und lächelte sie an.
Sie sprachen nicht, blieben gelassen, aber Kara war dem Eisernen noch jetzt dankbar, daß er sie damals gerettet hatte. Erst in der Tiefenhypnose war ihr die Erinnerung gekommen. Hätte man sie in einem normalen Zustand gefragt, sie hätte nichts sagen können, denn dies war alles aus ihrem Gedächtnis ausradiert worden. Es mochte daran liegen, daß sie zehntausend Jahre und mehr durch ein dunkles Reich getrieben war, deshalb hatte sie auch den Namen die Schöne aus dem Totenreich bekommen.
Karas Aufmerksamkeit galt den Flammenden Steinen. Auf sie deutete auch ihr ausgestreckter Zeigefinger. »Die Steine, Myxin«, flüsterte
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