0865 - Aus Tinte geboren
ist er! Der Tintendämon!«
Der Dämon wiederum schaute auf den Jungen. Er wurde kleiner, zitterte und brummte: »Mein Schöpfer!«
***
Der öffentliche Fernsprecher, den Stygia verwendet hatte, befand sich in unmittelbarer Nähe der Schule, die der Erbfolger besuchte, wie die Dämonin jetzt erst bemerkte. Vermutlich ging die Telefongesellschaft davon aus, dass die Schüler in den Pausen hierherkamen und ach so wichtige Telefonate führten. Als der Fernsprecher installiert wurde, hatten seine Betreiber wohl nicht damit gerechnet, dass nur ein paar Jahre später nahezu jeder Jugendliche ein Mobiltelefon besaß…
Aber das war natürlich nicht Stygias Problem.
Sie sah einen Mann die Schule verlassen, der in seinem grauen Sakko und mit dem grauen Aktenkoffer so grauenhaft aussah, dass es selbst die Dämonenfürstin graute. »Grausig«, murmelte sie.
Aber was dieser Mann dachte, war interessant..
Er dachte an den Erbfolger , seine Mutter und einen ihm unbekannten Mann, der die beiden begleitet hatte. Immerhin hatte er ein sehr konkretes Bild dieses Mannes im Gedächtnis.
Das Bild erschütterte Stygia. Sie kannte diesen Mann nur zu gut. Es handelte sich um niemand anderen als den Dämonenmörder Zamorra!
Stygia konzentrierte sich auf diesen Mann und seine Erinnerungen. Er bemerkte das nicht. Er stieg in ein - natürlich! - graues Auto und fuhr los. Stygia breitete ihre Schwingen aus und flog ihm nach. Dabei machte sie sich unsichtbar. Man musste ja nicht mehr Aufsehen erregen als unbedingt nötig.
Wenig später hielt der Mann vor dem Polizeipräsidium, parkte den Wagen im Halteverbot und verschwand im Gebäude.
Die unsichtbare Dämonin setzte sich auf das Autodach und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Nach ein paar Minuten kam der Graue in Begleitung eines Uniformierten wieder heraus. Er stieg aber nicht in sein eigenes Auto, sondern zu dem Uniformierten in einen Streifenwagen. Sie fuhren los, und Stygia folgte ihnen.
Die Gedanken des Grauen beschäftigten sich permanent mit Patricia und Rhett Saris, wobei es Stygia auffiel, dass der Mann nicht wusste, wer dieser »geheimnisvolle Typ« in Begleitung der schottischen Lady war. Aber es war deutlich, was sein Ziel war: Château Montagne!
***
Der Tintendämon begann, sich langsamer als zuvor zu bewegen, bis er vollkommen stillstand! Er veränderte sein Aussehen und seine Umrisse nicht mehr. Es schien, als habe ihn der Schreck über das Auftauchen von Rhett aus dem Konzept gebracht.
»Sein Schöpfer?«, echote Fooly, während er wieder aufstand. »Du bist der Erschaffer dieser Widernatürlichkeit? Ist das wahr?«
Rhett hob die Hände, als wolle er etwaigen Vorwürfen zuvorkommen. Er versuchte entschuldigend zu lächeln, aber das gelang ihm nicht so recht angesichts des Chaos, das der riesige Tintenklecks angerichtet hatte.
»Das ist nicht einfach zu erklären«, begann er. »Es dauert etwas länger…«
Der Dämon zog sich zusammen, gerade so, als wollte er sich gegen Angriffe wappnen. Jetzt bewegte er sich wieder mit jeder Sekunde schneller. Auch sein Mittelpunkt begann erneut wechselnde Motive zu zeigen. Alles genau wie in dem Video-Clip, nach dessen Vorbild ihn Rhett geschaffen hatte.
Die Bewegungen waren synchron im Takt einer unhörbaren Musik.
»Sie wollen mich vernichten«, beklagte der Dämon sich und zeigte mit einem seiner Ausläufer, von dem niemand sagen konnte, ob es sich um einen Arm oder ein Bein handelte, auf Fooly und den gerade wieder erwachenden Zamorra.
»Du bist doch selbst schuld daran«, fauchte Fooly. »Warum greifst du uns auch an?«
»Aber ich kann nicht anders!«, heulte der Dämon auf. »Ich muss es tun!«
Er glitt unglaublich schnell auf den Boden hinab, zerrann, ohne den Teppichboden zu verschmutzen und floss langsam unter der Tür hindurch. Dabei entstand wieder ein Geräusch, als würde eine Gitarrensaite in höchstem Diskant zerreißen.
Das Ganze hatte noch keine zwei Sekunden gedauert.
»Warum gehst du?«, rief Rhett ihm nach. »Bleib doch hier!«
Nicole hielt sich die Ohren zu.
»Ich werde heute wirklich noch taub«, beschwerte sie sich.
Sie half zuerst Zamorra aufzustehen, danach Madame Ciaire. Die Köchin blickte sich erschrocken um.
»Ist dieses Ding weg?«, fragte sie mit Abscheu in der Stimme.
»Das ist kein Ding!«, protestierte Rhett. »Das ist ein…«
Ciaire war nicht größer als der Junge. Sie bückte ihm durchdringend in die Augen, versuchte, den Rücken extrem gerade zu halten und hob den
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